Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 6. Januar 1906

Jena 6.1.1906.

Lieber Freund!

Die freundlichen Neujahrswünsche von Dir und Deiner l. Familie erwidere ich von Herzen!

Ich habe das neue Jahr mit erfreulicher (wenn auch langsamer) Besserung meines Circulations- und Nerven-Systems begonnen; ich gehe täglich ½–1 Stunde an die Luft. Aber an die gewohnte energische Arbeit kann ich leider noch lange nicht denken.

Auch an den activen Arbeiten für den Monistenbund kann ich mich nicht beteiligen, wie ich von vornherein erklärt habe. Ich muß diese Aufgabe jüngeren Kräften überlassen. ||

Meine jugendlichen, für den Monistenbund begeisterten Schüler haben darauf bestanden, die constituirende Konferenz schon nächsten Donnerstag (11.1.) hier zusammenzurufen – hauptsächlich auf Andrängen auswärtiger Förderer der Sache, und wegen einer drohenden Konkurrenz etc.

Es werden voraussichtlich sehr wenige von den 45 Unterzeichnern des Aufrufs kommen; indessen das schadet Nichts (– „Viele Köche verderben den Brei“). Sicher werden activ dabei sein H. Schmidt, Breitenbach, Thiele, Ziegler und Kalthoff. Es wäre natürlich sehr willkommen, wenn Du auch kommen könntest! Ebenso auch Bruno Wille! || Die drei freidenkenden und angesehenen Pastoren in Bremen: Kalthoff, Mauritz und Steudel, interessieren sich sehr warm für die Sache, was ich für wichtig halte. Kannst Du – oder Wille – mir umgehend über diese drei Männer noch Auskunft geben? Ich kenne sie nicht persönlich. Kalthoff würde sich vielleicht zum Vorsitzenden des Bundes eignen? Am liebsten sähe ich Dich an der Spitze; aber Du wirst weder Lust noch Zeit haben? Oder könntest Du unter den 45 Unterzeichnern einen Anderen zum activen Praesidenten vorschlagen? Das Amt wird viel Zeit und enorme Correspondenz kosten! Baege kommt wahrscheinlich am 8. oder 9.1. zum Besuch; am 11. kann er leider nicht. ||

Solltest Du und Wille zur Konferenz nicht kommen können, so würde ich Euch für jeden guten Rat, ebenso um Vorschläge von Personen und Satzungs-Verbesserungen dankbar sein.

Mit herzlichsten Grüßen an Dich, Deine liebe Frau und Wille,

Dein treuer alter

Ernst Haeckel.

P.S. In den letzten Tagen haben wir schon viele Zustimmungs-Briefe – auch freiwillige Spenden für die Bundeskasse erhalten. Einige schlagen vor, einfach „Monistenbund“ zu sagen – ohne „Deutscher“ – weil auch im Ausland viel Interesse besteht.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.01.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Biblioteka Uniwersytecka we Wroclawiu
Signatur
Handschriftenabteilung, Böl.Hae.122
ID
42251