Göppert, Heinrich Robert

Heinrich Robert Göppert an Ernst Haeckel, Berlin, 12. Juli 1874

Berlin W. Blumeshof 13 | den 12. Juli 1874.

Hochgeehrter Herr Professor!

Als ich meine erste Anfrage an Sie richtete, war ich des Glaubens, daß Sie über die Bonner Verhältnisse bereits von dort aus durch collegialische Mittheilungen einigermaßen unterrichtet seien. Sonst würde ich es für meine Pflicht gehalten haben, Ihnen damals schon einiges Nähere über die Puncte zu schreiben, auf welche sich Ihr Brief vom 7 dieses Monats bezieht, für dessen freundliches Entgegenkommen ich Ihnen aufrichtig dankbar bin.

Die Persönlichkeit, welche von hier aus für die descriptive und mikroskopische Anatomie in Aussicht genommen werden würde, wenn durch Ihre Zusage der ganze Plan überhaupt möglich wird, ist der jetzige Prof. extraordinarius der Anatomie in Bonn, von La Valette St. George, der schon eine Reihe von Jahren neben dem verstorbenen M. Schultze gewirkt hat und ihn seither vertritt. Nach meiner Kenntniß seiner Persönlichkeit dürfen Sie bei ihm || auf das bereitwilligste collegialische Entgegenkommen und Mitwirken rechnen.

Mit den Ansichten, welches Sie über die Stellung der vergleichenden Anatomie im System der Naturwissenschaften äußern, kann ich mich nur einverstanden erklären. In Betreff der einzelnen sich für Sie daraus ergebenden Folgerungen würde geschäftlich folgendes zu sagen sein.

Als ordentlicher Prof. der medicinischen Facultät sind Sie selbstverständlich zu allen irgend in deren Bereich zu rubricirenden Vorlesungen ohne Weiteres berechtigt. Die „allgemeine Zoologie” wird vielleicht zum Kreise der philosophischen Facultät gerechnet werden müssen. Nach den Bonner Statuten würden Sie dann Sich wegen ihrer Ankündigung an die philosophische Facultät zu wenden haben; sollte diese, was ich für von vornherein absolut unwahrscheinlich erachten muß, Widerspruch erheben, so steht Recurs an das Ministerium frei, und ich darf Ihnen, denke ich, versichern, daß derselbe unbedingt von Erfolg sein würde. Ich sehe also für Sie freie Bahn in der Ausdehnung Ihrer Lehrthätigkeit.

Das Tentamen physicum regelt sich in Bonn a nach den preußischen Vorschriften von 1861 u. 71. Eines der Hauptfächer ist danach „Anatomie”, aber auch die Zoologie ist mit den übrigen beschreibenden Naturwissenschaften Prüfungs-||Gegenstand. Die Mitgliedschaft in der Commission würde Ihnen nicht fehlen – zunächst für die Anatomie. Die Prüfung in den beschreibenden Naturwissenschaften soll nurb, wenn unter den übrigen Commissionsmitgliedern Niemand sie zu übernehmen bereit und geeignet ist, besonders zu ernennenden Mitgliedern übertragen werden. Säßen Sie in der Commission, so würde gewiß nicht daran gedacht werden, für Zoologie einen besonderen Examinator zu ernennen, sondern die Prüfung auch darin wird selbstverständlich Ihnen zufallen.

Was die wissenschaftliche Prüfungs-Commission für die c Candidaten des höhern Schulamts betrifft, so erfolgt deren Zusammensetzung jedes Jahr aufs Neue; es wird jedoch für eine gewisse Stätigkeit d insofern gesorgt, daß nur ausnahmsweise ein Mitglied nicht wenigstens 2 Jahre hintereinander fungirt. Zusicherungen in Betreff der Mitgliedschaft werden ungern oder gar nicht ertheilt. Jetzt ist die Zoologie darin, ich weiß nicht, seit wie lange, allerdings durch Prof. Troschel vertreten. Ob er angehen würde, daß Sie neben ihm eintreten, vermag ich einstweilen nicht zu übersehen, möchte aber überhaupt Sie bitten, daß Sie diese ganze Angelegenheit, bei der ich nicht geringe Schwierigkeiten vermuthe, nicht urgiren.

An dem anatomischen Institut fungir-||ten bisher 1 Prosector mit 600, neuerdings 900 Thlr

(eben der bisherige Prof. extraordinarius de La Vallette)

zwei Assistenten mit zusammen 800 Thlr

zwei Diener mit zusammen 535 Thlr

Von den Assistenten der eine Conservator genannt, der andere wissenschaftlicher Assistent. Ich nehme an, daß unschwer es sich arrangiren lassen würde, den letztern Ihnen zur Verfügung zu stellen, da der Prosector für die andere Branche ausreichen dürfte. Zu sächlichen Ausgaben beträgt der Gesammtfonds etwa 4200 Thlr. Es ist Sache der weitern Verabredung, wie derselbe zwischen den beiden Branchen zu theilen sein wird. Sie dürfen bei den obwaltenden besondern Verhältnissen bestimmt erwarten, daß diese Separation zwischen Ihnen und Herrn Prof. de La Valette sich sehr leicht machen lassen wird. Ebenso wird der Herr Minister Falk Ihnen dabei alle Unterstützung angedeihen lassen, die Sie billiger Weise wünschen können. Unser Interesse, das in seiner Art prächtige und vollendete Institut in Bonn in rechter Art d. h. wissenschaftlich vollkommen zu verwerthen, das dortige Studium überhaupt zu heben und zu erweitern, wollen Sie nicht gering anschlagen. –

Ich lese in einer heutigen Zeitung, daß Sie einen Antrag für Bonn erhalten hätten, daß man aber in Jena sie zu fesseln hoffe. Ich denke, daß ich diese Nachricht nicht für ein übles Vorzeichen für den Erfolg || unserer bisherigen Correspondenz zu betrachten habee, sondern mich der Erwartung hingeben darf, daß der Wirkungskreis, der sich Ihnen in Bonn bietet, nicht fehlen wird auf Sie anziehenden und bestimmenden Einflußf zu übeng. Ihrer Berufung dürfen Sie sogar eine über die gewöhnliche Bedeutung einer wichtigen Stellenbesetzung hinausgreifende Wichtigkeit beilegen; wird es ja doch auch an Vorwürfen für uns nicht fehlen.

Daß Sie erst zu Ostern kommen zu können glauben, ist gewiß für uns peinlich. Sind Sie im Stande früher ihre Verhältnisse in Jena zu lösen, so ist dies natürlich für Bonn im höchsten Grade erwünscht, nur ich würde Sie bitten, es in Bedacht zu nehmen, ohne daß ich gerade daraus eine conditio sine qua non machen müßte.

Haben Sie die Güte, wenn Sie ‒ wie ich für durchaus sachgemäß halte – vorerst nach Bonn selbst hingehen, um Sich an Ort und Stelle zu informiren, mir vorher kurz Nachricht zu geben, damit ich den Universitätscurator, Herrn Geh. Rath Beseler, davon unterrichten und ihn veranlassen kann, sich Ihnen während Ihrer Anwesenheit zu widmen und vorläufige Abmachungen über die zu treffenden Einrichtungen mit Ihnen vorzunehmen. Ich werde mich freuen, wenn Sie dem-||nächst hierher kommen wollen, um das Definitivum zu verabreden. Darauf würde ich übrigens Werth legen, daß Sie diesen Ihren Plan bald ausführen, damit wir bald Gewißheit darüber erlangen, ob es möglich sein wird, die Bonner Verhältnisse so zu gestalten, wie es unser dringender Wunsch ist.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr

ganz ergebenster

Göppert

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
12.07.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 419
ID
419