Krupp, Margarethe

Margarethe Krupp an Ernst Haeckel, Essen, 23. Dezember 1902

Auf dem Hügel

Hügel, Rheinpreußen.

23. Dez. 1902.

Sehr verehrter Herr Professor!

Wenn ich erst heute dazu komme Ihnen für Ihre beiden Briefe u. in erster Linie für die herzliche Theilnahme an meinem Schmerz zu danken, so werden Sie das verstehen. Heute möchte ich Ihnen aber sagen wie sehr wohl Sie mir gethan haben durch den warmen Ausdruck Ihrer Werthschätzung meines lieben Mannes u. Ihres Verständnisses seiner edlen Eigenschaften u. seiner vielseitigen Interessen, die er in seiner zurückhaltenden Bescheidenheit der Allgemeinheit garnicht zur Kenntniß kommen ließ. Er selbst war, abgesehen von seiner Verehrung u. Bewunderung für den Gelehrten in Ihnen, gerade || im vergangenen Sommer so beglückt durch das persönliche Nähertreten, das bei ihm die freundlichsten Gefühle für Sie wachrief u. gerade in Erinnerung daran ist es mir so wohlthuend, daß auch Sie Ihrerseits sein edles Wesen u. Streben so erkannt haben u. würdigen. – Daß der Entschlafene, der solch hohes Pflichtgefühl besaß, seine hohe Nächstenliebe in solch wohlthätiger Weise zum Ausdruck brachte u. allen Menschen nur Wohlwollen u. Vertrauen entgegenbrachte, daß er gerade als widerstandloses Opfer des Hasses u. der Abscheulichkeit fallen mußte, das macht es so unendlich viel schwerer sich in diesen so vorzeitigen Verlust zufügen, denn was hätte er noch seiner Familie u. so unzähligen Andren sein können u. wie viel edle Zwecke hätte er noch fördern können, || wenn das grausame Schicksal ihn nicht vorzeitig dahingerafft hätte. Die Beweise allgemeiner Liebe u. Achtung, die er in den weitesten Kreisen sich zu erwerben gewußt hat, sind für mich ja wohl ein wehmütiger Trost, aber all das giebt ihn mir doch nicht wieder. –

Daß er nicht mehr die Freude gehabt hat selbst zu sehen, welch schönen Erfolg er durch sein Preisausschreiben für die Förderung der Wissenschaft u. Aneiferung zum Studium veranlaßt hat, ist sehr schmerzlich, doch hat er sich an der Entwicklung der Angelegenheit doch oft sehr gefreut u. war sehr dankbar für die Hülfe u. das Interesse, das die betreffenden Herren seiner Idee entgegenbrachten. In diesem Sinne bin ich Ihnen und den drei Preisrichtern auch sehr dankbar für || die Zuendeführung des Unternehmens, sowie allen Andern, die sich noch bei der Fertigstellung des Lexikons u. Tafelwerkes u. des Berichts über dieMaja u. Puritan Fischerei betheiligen, denn all dies wird meinen Kindern ein sichtbares Zeichen seines rastlosen Fleißes u. seines hohen Strebens auch in dieser Richtung hin sein u. bleiben. –

Zum Schluß möchte ich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin auch noch für den schönen Blumengruß danken, den Sie dem Entschlafenen aufs Grab gelegt haben u. bitte Sie diesen Dank auch H. Prof. Ziegler freundlichst übermitteln zu wollen. – Meine Töchter schließen sich meinen freundlichen Grüssen für Sie an u. ich verbleibe in der Hoffnung, daß das Leben uns gelegentlich ein persönliches Begegnen wieder bringen möchte, in größter Verehrung u. Hochachtung

Ihre sehr ergebene

Margarethe Krupp

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
23.12.1902
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 41693
ID
41693