Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg Reimer, Jena, 27. Mai 1866

Jena 27. Mai 66.

Lieber Georg!

Beifolgend erhältst Du nun das vierte Buch des Manuscripts und somit den Rest des ersten Bandes. Es war ein schweres Stück Arbeit und ich habe mich in den letzten 4 Wochen daran gehörig caput gearbeitet, so daß ich in dieser Stunde zum ersten Mal seit langer Zeit frei aufathme. Um so rüstiger wird es nun an die Vollendung des zweiten Bandes gehen, von dem bereits fast ¾ geschrieben sind.

Das vierte Buch (Promorphologie) ist das schwierigste und die meisten neuen Gedanken umfassende des ersten Bandes. Ich habe es deshalb nochmals ganz umgearbeitet und möglichst übersichtlich gemacht, und ich bitte Dich, den Setzer ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß er in dem Dreizehnten Capitel || alle Überschriften der einzelnen Abschnitte, deren etwa 50 sein werden, genau so setzt, wie ich es ihm am Ende des zwölften Capitels angegeben habe.

Das 15. Capitel (Schluß des I Bandes), a (welches nur einen halben Bogen umfaßt) behalte ich noch hier, weil ich es zur Anfertigung der beiden Steindrucktafeln mit mathematischen Figuren brauche, welche dem vierten Buche anzuhängen sind, und welche ich Dir in Kurzem nachsenden werde.

Wenn es Dir paßt, bitte ich Dich, den Satz des ersten Bandes möglichst zu beschleunigen, weil voraussichtlich im Juli sich meine Arbeiten vor Beginn meiner Reise so häufen werden, daß die Zeit höchst kostbar sein wird.

Falls nicht der Krieg es absolut unmöglich macht, werde ich meine Reise Anfang August antreten; ich bedarf dieser Erholung nach der gewaltigen Anstrengung dringend. ||

Wenn mir die Arbeit schon an sich viel Freude machte, so ist sie mir jetzt ein wahrer Trost, wo jeder andere Gedanke so traurig ist. Was soll aus unserem unglücklichen Vaterlande noch werden!

Die Sympathieen für Preußen sind hier nicht im Wachsen, und selbst bei den besten Preußenfreunden fast auf den österreichischen Nullgrad herabgesunken. Warum ist in Berlin Alles still? Die Königsberger haben bis jetzt allein ordentlich und deutlich gesprochen, und der Berliner Stadtverordneten Versammlung ein gutes Beispiel gegeben.

Dein Schwiegervater, den Du ja in nächster Tage wieder sehen wirst, b wird Dir mehr von hier erzählen.

An die Deinigen und Ernst besonders herzlichen Gruß

Dein

treuer

E. Haeckel.

a gestr.: beha; b gestr.: ist

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.05.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signatur
M 7704 Dep. 42, R1, Haeckel, Ernst, Bl. 38r-39r
ID
40537