Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Thomas Henry Huxley, Jena, 28. Juni 1867

Jena 28 Juni 1867

Mein lieber, theurer Huxley!

Statt wissenschaftlicher Neuigkeiten, welche Sie vielleicht interessieren würden, melde ich Ihnen diesmal zunächst nur eine persönliche Notiz, von der ich aber weiss, dass Ihre aufrichtige Freundschaft gegen mich daran den herzlichsten Antheil nehmen wird. Ich habe mich vor Kurzem wieder verlobt, und zwar mit Fräulein Agnes Huschke, der jüngsten Tochter des hiesigen verstorbenen Professors der Anatomie. Meine Braut ist ein sehr munteres und verstandvolles, dabei sehr natürliches und einfaches Wesen, und ich darf mit guter Zuversicht von ihr hoffen, dass sie zum großen Theile die schmerzliche Lücke ausfüllen wird, welche in meinem Leben durch den Verlust meiner ersten, wahrhaft ausgezeichneten und unvergesslichen Frau entstanden war. || Als glücklicher Gatte können Sie denken, wie sehr mich diese neue günstige Wendung meines Schicksals beglückt, und mit wie anderen Augen ich jetzt in die Zukunft schaue. Ruhe und Frieden wird mit meiner lieben Agnes in mein verödetes Haus wieder einziehen. Wir werden im August heirathen und dann auf 6–8 Wochen nach Süddeutschland, der Schweiz und Oberitalien reisen. Ich werde also in diesem Jahre nicht mehr nach London kommen können, wie ich gehofft hatte. Vielleicht kann ich diesen Besuch nächstes Jahr nachholen. Werden denn aber wir Deutschen nicht einmal die Freude haben, Sie hier zu sehen? Ich würde Sie am liebsten freilich erst im nächsten Jahre hier haben, um Sie an meinem eigenen neu gegründeten Herde beherbergen und bewirthen zu können! Und hoffentlich kommt Ihre liebe Frau dann mit Ihnen! ||

Nebst einem vorläufigen Bericht über meine Reise sende ich Ihnen beifolgend noch einen Abdruck meiner genealogischen Tafeln mit, da es Ihnen vielleicht bequem ist, Sie dann und wann einzeln zu benutzen. Sie würden mich sehr erfreuen, wenn Sie gelegentlich mir einmal die wesentlichsten Verbesserungen mittheilen wollten, die Sie an denselben anzubringen haben.

Meine Morphologie wird in Deutschland jetzt ziemlich viel gekauft und gelesen, und – wie ich das nicht anders erwartet habe – auf das Heftigste angegriffen. Ich habe aber durch meine eigenen Angriffe einen starken Vorsprung vor meinen Gegnern und scheue den Kampf nicht. Leid thut es mir aber, daß selbst viele Anhänger Darwins mein Buch als „zu weit gehend und zu extrem“ scharf tadeln und angreifen. || Als ob man in dem Aufsuchen der Wahrheit jemals „zu weit“ gehen könne! Wie selten ist freilich unter den Menschen, und besonders unter den Männern der Wissenschaft, rücksichtslose Consequenz zu finden! Lieber zu wenig Wahrheit, als zu viele Feinde! O die Feigheit!!

– Ihrer lieben Frau bitte ich die herzlichsten Grüsse zu bestellen. Für Ihren letzten lieben Brief den besten Dank; nur bitte ich Sie, lieber Huxley– wenn es ohne allzuviel Zeitverlust sein kann – künftig ein klein wenig deutlicher und leserlicher zu schreiben. Ihre autographischen Hieroglyphen haben nicht allein meine Entzifferungskunst, sondern auch die meiner archaeologischen und linguistischen Freunde fast 14 Tage lang (und zum Theil vergebens!) beschäftigt! Hoffentlich höre ich recht bald Gutes von Ihnen.

Mit den herzlichsten Grüssen

Ihr treu ergebener

E. Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
28.06.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Imperial College London
Signatur
Huxley papers, General correspondence, Inv.Id. 17.181. Box No. 17 Series 1h
ID
40327