Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Messina, 26. Februar 1897

Messina, Hotel Trinacria | 26. Febr. 1897.

Durchlauchtigster Herr Herzog!

Der freundliche Glückwunsch, welchen Sie und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin am 16. d. M. mir zu meinem 63. Geburtstage nach Jena telegraphisch zu senden die Güte hatten, ist erst gestern hier in meine Hände gelangt. Erlauben Sie mir, Ihnen dafür meinen herzlichsten Dank abzustatten.

Ich verließ Jena schon am 1. Febr., um die Oster-Ferien, verbunden mit Urlaub für den Monat Februar, zu einer dreimonatlichen Mittelmeer-Reise zu benutzen. Mein Hauptziel ist auch diesmal wieder Messina, dessen unvergleichlicher Reichthum an seltenen und interessanten Seethieren mir das wertvollste Material zur Fortsetzung meiner „Plankton-Studien“ liefert. || Ich bin diesmal von einem meiner besten Schüler begleitet, Dr. Leo Schultze, dem ältesten Sohn meines Jenenser Collegen, des Geh. Hofr. Bernh. Schultze. Wir haben hier in der neuen, vortrefflich eingerichteten Zoologischen Station der Universität bei deren Director, Professor Ficalbi, die freundlichste Aufnahme gefunden; und gleich in den ersten Tagen hat mich das ganze Collegium Academicum durch einen ehrenvollen Actus erfreut und überrascht. – Nachdem ich am 1. Febr. von Jena bis Frankfurt a/M eine wahrhaft sibirische Fahrt gehabt – Schnee, und Nichts als Schnee! – war der Genuß des herrlichen südlichen Frühlings bei der Ankunft in Genua am 3. wunderbar schön. Seitdem haben wir dauernd das schönste Sommer-Wetter. ||

Meine Frau, die seit 1 ½ Jahren an den Folgen einer schweren Influenza leidet (Neuralgie, Herzschwäche), ist in Begleitung unserer Tochter in San Remo geblieben, wo der Frühling auch schon den schönsten Blumen-Flor hervorgezaubert hat. Das milde Klima hat ihren Zustand sehr gebessert. Ich gedenke sie Mitte April dort abzuholen und vielleicht noch einen kleinen Abstecher nach Venedig zu machen.

Der dritte und letzte Band meiner „Systematischen Phylogenie“ ist im vorigen Herbst glücklich beendigt und damit eine wichtige Lebensaufgabe für mich abgeschlossen. Ich würde Ew. Hoheit das dreibändige, nur für Fachleute lesbare Ungethüm verehrt haben, wenn es nicht leider – mangels aller Abbildungen! – ||

Falls Ew. Hoheit, wie ich vermuthe, im nächsten Monat ebenfalls wieder die herrlichen Gestade des Mittelmeers aufsuchen, sende ich Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin dazu meine besten Wünsche, für freundliches Frühlingswetter und glückliche Fahrt!

In aufrichtigster Verehrung

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
26.02.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen
Signatur
Hausarchiv, NL Helene von Heldburg, Nr. 89
ID
40149