Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 28. Februar 1914

Jena 28. Februar 1914.

Durchlauchtigster Herr Herzog!

Für Ihre freundlichen Glückwünsche zu meinem 80.sten Geburtstage sage ich Ihnen meinen herzlichsten Dank; und ganz besonders für die hohe Auszeichnung, welche Ew. Hoheit mir durch Verleihung Ihres Ernestinischen Großkreuzes erwiesen haben. Ich erblicke in dieser außerordentlichen Ehrung nicht nur eine Anerkennung der fünfzigjährigen wissenschaftlichen Arbeit an unserer teuren Universität Jena, die Sie als Durchlauchtigster Erhalter derselben so vielfach gefördert haben, sondern auch einen kostbaren Beweis der persönlichen Wertschätzung, deren ich mich von Ihrer Seite seit so vielen Jahren zu erfreuen hatte. ||

Über die zahlreichen Zeichen der Anerkennung meiner Lebens-Arbeit, die mir von anderen Seiten zu teil wurden, finden Ew. Hoheit einiges in den Drucksachen, die ich mir beifolgend zu übersenden erlaube.

In diesen Tagen, wo wieder etwas Meeresstille nach der Sturmflut von ca. 1600 Glückwunsch-Schreiben, Telegrammen, Briefen, Geschenken der verschiedensten Art, eingetreten ist, stehe ich seufzend vor der Pflicht, wenigstens die wichtigsten Zusendungen dankend zu beantworten. Deshalb bitte ich Ew. Hoheit, nur noch kurz die Versicherung meiner aufrichtigsten Verehrung und Dankbarkeit entgegen zu nehmen, mit der ich stets verharre

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel.

[Beilage: gedrucktes Dankschreiben Ernst Haeckels für die Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag, Jena, 22. Februar 1914]

Jena, 22. Februar 1914.

Am 16. Februar d. J. beschloß ich mein 80. Lebensjahr und damit zugleich einen Zeitabschnitt von 60 Jahren produktiver Arbeit, welcher der wissenschaftlichen Erkenntnis und Lehre der Wahrheit gewidmet war. Dieser Gedenktag wurde für viele von meinen Schülern und Anhängern, für gleichstrebende Freunde der Natur und Kunst, Veranlassung, mir ihre Dankbarkeit und Anhänglichkeit kundzugeben. Viele Hunderte von Briefen und Telegrammen, von ehrenvollen Adressen und kunstreichen Geschenken, überzeugten mich, daß mein Lebenswerk in weitesten Kreisen Früchte getragen hat; die Freuden und Leiden heißer literarischer Kämpfe während eines halben Jahrhunderts sind nicht vergeblich gewesen.

Tief ergriffen von diesem Erfolge, welcher die kühnsten Hoffnungen meiner Jugend bei weitem übertroffen hat, sehe ich mich außerstande, mit wenigen Worten meinen Gefühlen des aufrichtigsten Dankes angemessenen Ausdruck zu geben. Ich kann nur versichern, daß ich in diesen herzlichen Beweisen aufrichtiger Anerkennung den schönsten Lohn für die vielen und schweren Opfer erblicke, welche ich der Erreichung meines Lebenszieles gebracht habe. ||

Von früher Jugend an war ich beseelt von Freude an den unerschöpflichen Schönheiten der Natur und an den edlen Genüssen der Kunst; ich genoß das Glück, von trefflichen, idealgesinnten Eltern und von ausgezeichneten, vielseitig anregenden Lehrern für die höchsten Ziele beglückender Lebensarbeit erzogen zu werden. Dazu gesellte sich die Gunst äußerer Verhältnisse, welche mich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die größten Fortschritte der Kultur und die tiefstgreifenden Reformen der Wissenschaft selbst miterleben ließen.

Daß es mir dabei vergönnt war, an der Bereicherung unserer realen Natur-Erkenntnis und an dem idealen Aufbau der darauf gegründeten monistischen Natur-Philosophie mich selbsttätig zu beteiligen, betrachte ich als eine besondere Gunst des Geschickes. Nicht geringer aber muß ich die erhebende und beglückende Teilnahme so zahlreicher trefflicher Freunde und Gesinnungsgenossen in allen Teilen der Erde einschätzen. Ihnen allen sei mit diesen wenigen aufrichtigen Worten der Ausdruck des tiefstgefühlten Dankes dargebracht.

ERNST HAECKEL

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
28.02.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen
Signatur
Hausarchiv, NL Helene von Heldburg, Nr. 679
ID
39914