Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 23. November 1879

Dorf Goisern den 23 Nofbr 1879.

Mein lieber, innig hochverehrter Freund!

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, Seit Sie mir im Frühjahr Ihr Bild geschükt haben, und zudem in einen freundlichen Schreiben, Ihren so Sehnsuchtsvollen Besuch auf das Monath Oktober noch in Aussicht stelten, habe ich Ihnen öfters schon schreiben wollen, aber das Gefühl der Unwürdigkeit, in Brieflichen Verkehr mit einen Manne zu stehen, der zu den Unsterblichen gehört, und in der Geschichte der Naturwissenschaft aller kommenden Jahrhunderte mit Hochachtung genannt werden wird, wenn die Menschheit nicht von einem bösen Dämon – zur ewigen Blindheit und Dummheit verdamt ist. (Wie es eben jezt allen Anschein hat!) Aber da Sie mir einfachen Landmann Erlaubt haben, Sie Freund nennen zu dürffen, und schon so vielle Beweiße Ihrer aufrichtigen wahren Freundschaft in meinen Händen habe, so wage ich es nochmahls Sie || mit meinen schlechten Geschreibsel zu belästigen.

Ich bin jetzt in meinen Alpenhause im Primesberg ganz verschneiet, 4 tage und Nächte hat es in so früher Jahreszeit fortwährend geschneiet und gestürmt! Feuerbachs Schriften und Ihre werthvollen kostbaren Bücher sind mir in diesen langen Winternächten meine beste und schönste belehrende Unterhaltung! Dann lese ich wieder alle Ihre lieben Briefe und broschieren die Sie geschenkt haben – dann schaue ich wieder Ihr liebes Bild –! Ich muß Ihnen nochmahls lieber guter Freund, herzlich für alle die kostbaren Schriften danken, und für das Glük, Sie edler Muthiger Forscher, Ihrer Freundschaft für Werth gehalten zu haben! Mit noch einem Ihrer Schüler und Verehrer habe ich im laufe vorigen Sommers || fürs ganze Leben inige Freundschaft geschlossen, Arnold Dodel-Port aus Zürich. Er verlebte einige Wochen bey mir auf dem Primesberg, das waren prächtige Tage –! Auch er preiset als sein größtes Glük, wie Sie, in der Naturwissenschaft den wahren Heiland und Erlösser der Menschheit in der Naturwissenschaft zu sehen. Auch er bedauerte, das gegenwärtig die gelehrten und größten Forscher sich scheuen [!], in ihren Reden und schriften die nicht einmahl für die Massen bestimt sind, die Wahrheit ihrer Forschungen entstellen und verfälschen –. Was ihre innerste Überzeugung ist, das raunen sie wie ein sündhaftes Geheimniß höchstens unter vier Augen einzelnen ins Ohr, die sie aber früher genau geprüft und als Geistesverwandten erkant haben, während kündischer Unsinn (wie der Seelenduft Gustav Jägers) und verbrecherische Dumheit sich offen auf allen Gassen sich spreitzen darf!

Und dann volends die Neue Wissenschaft „die Moderne Magie“. Diese Spirituallisten. – Was sagen Sie dazu? Feuerbach und Alexander || von Humboldt würden sich noch im Grabe umdrehen, über das jezige treiben des Volkes der Denker!

Ich lebe auf meinen einsamen Primesberg mit meinen Weibe noch gesund glüklich, und freue mich noch in meinen alten tagen meines Lebens! Trotz meines bescheidenena Einkommens habe ich doch diesen Herbst einen kleinen Ausflug nach Dresden zu meinen dortigen Freunden, und von da noch eine Reise bis Berlin gemacht, um das höchst für mich Intressante Aquarium zu sehen. Es hat mich das Geld was ich auf dieser Reise ausgegeben, nicht gereut.

Lassen Sie ja bald wieder etwas von sich hören, und schenken Sie mir Ihre für mich so kostbare Freundschaft auch fernerhinb, und geben Sie mir die gewisse Hofnung Sie edler Freund, künftigen Sommer in meinen Alpenhause persönlich begrüsen zu können! Leben Sie wohl, und behalten Sie mich lieb. Achtungsvoll

Deubler.

a irrtüml.: bescheiedenens; b irrtüml.: ferneerhin

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.11.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3958
ID
3958