Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 25. Februar 1879

Dorf Goisern den 25 Febr 1879.

Lieber guter Freund!

„Heilig sei dir die Freundschaft,“ sagte mir einst L.Feuerbach, und mir ist schon Angst und bange, so lange nichts von Ihnen gehört zu haben! Ich habe mich den ganzen Winter mit Ihren Prachtvollen Büchern göttlich unterhalten! Ich habe bey Durchlesung derselben for Freude und Begeisterung mich mit vollem Herzen erfreuet, eines so grossen Denkers und Forschers Freund sein zu dürffen!

Da hat mir ein guter Freund aus Amerika aus einem dort zirkulierenden Almanach ein paara Blätter herausgerissen und mir zugeschükt, fieleicht Interessieren Sie Ihnen auch, ich habe es Ihnen hier beigelegt. Weil auch von Ihnen darinne Erwähnt wird. Ich habe vorigen || Herbst vergebens bey der Naturforscher Versamlung in der Zeitung nach Ihrem Nahmen gesucht, nur von Professor Oscar Schmidt habe ich eine Erwähnung gefunden, weil ein Bruchstück seiner Rede darinne Enthalten war. Ich glaube sein Vortrag war über „Darwinismus u. Sozialdemokratie“. Auf dieser Versamlung wurde auch der Verfasser hier beiliegender Blätter Dodel als ein Träumer zitiert, mich hat es sehr Interessiert wie diese Herrn so aalglatt zwischen den Consequenzen ihrer Wissenschaft durchschlüpfen! Ich bin leider auch so ein Träumer auf meinen Einsamen Primesberg.

Auch habe ich mir Moleschots Kreislauf des Lebens angeschaft, es ist die neue ganz Umgearbeitete Auflage in heften, ich habe schon das 10te heft, von Ihnen komt viell schönes und wahres darinne vor! Dieser Moleschot ist noch ein Alter guter Freund von L.Feuerbach gewesen, er hat ihm im ersten heft Seite 7 ein ehrendes Denkmahl gesetzt. ||

Um Politik kümere ich [mich] sehr wenig, denn es ist jezt wahrlich keine Freude, die Reaktion auf der ganzen Front sich regen zu sehen. Bey uns in Östereich macht sich die Sache noch am besten. Das wir von Deutschland hinausgeworfen wurden, dazu darf man uns jezt gratulieren, weill das Gottergebene Preussen nichts mehr mit uns zu schaffen hat! Es ist eine Alte Geschichte, die Fromen und Gottesfürchtigen haben es immer am besten verstanden, die Thierheit und Mordlust zur Geltung zu bringen!

Nun lassen wir der Reaktion ihre kurze Freude, es kann nicht lange dauern. Die Alte Verrottete Ordnung ist ja vom Wurm der neuen Weltanschauung zerfressen. Sie, und Darwin, Feuerbach, Ihr grossen Denker und Menschenfreunde, Ihr habt das Täfelwerk von Wanzen erfüllten Wand herunter gerißen. Und habt am meisten und am besten Mitgeholfen den Schut und Moder beiseite zu schaffen!

Eine Handvoll Sand, ein parr Ziegelsteine habe ich doch auch zum neuen Bau zutragen geholfen, Indem ich es als Ehemalliger Gemeinde Vorstand durchgesetzt habe, aus einer Speziffischen Lutherschen und Katholischen Schule, zub einerc Staatsschule umzuwandeln. || Die Katholischen und Evangelischen Kinder sind jezt in einer verschmolzen.

Ich bin auf meinen Einsamen Primesberg mit mein Weibe mit vollen Bewußtsein glüklich und zufrieden, und habe nur noch den einzigen Sehnlichen Wunsch, Sie, Hochverehrter Freund, noch einmahl in unsern friedlichen Salzkamergut wieder zu sehen, und Sie samt Ihrer lieben Frau in meinen Alpenhäuschen Begrüssen zu können!

Wir haben einen sehr Milden Winter gehabt, neben meinen Hause blühen schon Primeln und Märzenveilchen, aber Schnee werden wir denoch gewiß genug bekomen!

Seyen Sie mir nicht böße das ich Ihre kostbare Zeit mit meinen schlecht geschriebenen Briefe in Anspruch nehme. Glauben Sie mir, das ich ungebildeter Landman, die Ehre zu würdigen weiß, mit dem größten Denker und Forscher unsers Jahrhunderts zu verkehren und Ihn Freund Nennen zu dürffen. Leben Sie wohl, und behalten Sie mich lieb. Ihr dankbarer Freund

Konrad Deubler.

a irrtüml.: parr; b korr. aus: eine; c eingef.: einer

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.02.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3956
ID
3956