Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 5. November 1876

Dorf Goisern den 5tn Nofenbr 1876

Lieber guter Herr Professor!

Ich hätte Ihnen schon längst geschrieben und gedankt, für Ihren herzlichen Glückwunsch den Sie mir bey der Anzeige meiner wieder Verehelichung geschrieben haben. Ich bin mit der Wahl meiner neuen Lebensgefährtin sehr zufrieden! Ich bin (was sich selten trift) ein wahres Glükskind. Ich lege Ihnen hier zum spasse für Ihre liebe Frau die Fotographie meines jezigen Lebenskameraden bey, sie ist in Ihren Hochzeitkleid Fotographiert.

Da ich aber nur zu gut weiß, wie Ihre Wissenschaftlichen Arbeiten jede Minute Sie nur zu sehr in Anspruch nehmen, so wolte ich Ihre kostbare Zeit nicht alzuviel in Anspruch nehmen. Diesen Sommer habe ich mir auf den || mit Ahorn Bäumen bepflanzten Hügel, bey dem Feuerbachsitz (der Ihnen bekant ist) ein neues Hauß gebaut. Die Aussicht ist wirklich Prachtvoll! Wenn Sie (was ich sicher hoffe) nächsten Sommer zu mir komen, so kann ich Ihnen eine würdigere, schönere Wohnung Einräumen wie das frühere mahl.

Mit Professor Karl Grün, der diesen Sommer wieder mit samt Frau bey mir auf mehrere a Monathe sich einlogiert hate, habe ich mich leider überworffen. Sie wissen von früher, das ich Grün aus gefälligkeit und aus Pietät der Vamillie Feuerbach zum Ordnen und herausgabe von Feuerbachs Nachlasse eine Wohnung gratis angebothen habe, weil mich die Tochter meines verstorbenen Freundes es gewunschen hat.

Diesen Sommer ist aber Grün so Rücksichtsloß und Egoistisch aufgetretten, das uns allen im Hause Angst und Bange wurde! || Da besuchte mich ein Alter Bekanter Hanß Nordmann aus Wien, er erzählte mir und meinen Weibe, welch ein sauberer Vogel dieser Grün in seinen Privatleben wäre, das seine erste geschiedene brave Frau in sehr ärmlichen Umständen noch lebe, und von fremden Leuten unterstüzt werden müsse u.s.w. und das er mit seinen eigenen Kindern erster Ehe einen Prozes geführt habe.

Da besuchte mich ein Alter persöhnlicher guter Freund vonb David Strauß u. Feuerbach Doktor Julius Dubok aus Dresden, da Eilte Grün erst fort, ganz plötzlich über alle Berge nach Steiermarkt hinüber. Dubok verweilte bey mir noch mehrere Wochen. Ich habe an Ihm einen gediegenen ehrlichen Manne kennen gelernt. Er hat seinen Aufenthalt bei mir in Primesberg in der Wochenschrift „Die Gegenwart“ geschildert, diese Zeitschrift gibt Paul Lindau in Berlin heraus, in N 41 Seite 226 beschreibt er das || Salzkamergut und würde Sie sehr Interessieren, obwohl meine Bescheidenheit dabey arg ins gedränge komt, und der gute Mann die Farben etwas zu dik aufgetragen hat.

Jezt sind wir wieder tüchtig Eingeschneit, wir haben schon einen Schuhhohen Schnee, jezt habe ich [an] den langen Winter Abenden wieder Zeit zum lesen. Von neuen Büchern die ich mir angeschaft habe wie Dodels neuere Schöpfungsgeschichte und Kulturgeschichte von Hellwald bin ich sehr neugierig. Dieser Dodel scheint mir ist als Botaniker den Darwinismus zu Erläutern, ebenso Hellwald in der Culturgeschichte. Aber der größte Schatz in meiner Büchersamlung bleibt für mich doch Ihr Unsterbliches Werk, Ihre Schöpfungs Geschichte! Mir fehlt der Form um meinen Dank Ihnen nochmals Schriftlich für dieses Buch ausdrücken zu können. Leben Sie wohl Edler Forscher und Menschenfreund, und behalten Sie mich Lieb.

Ihr dankbarer Freund

Konrad Deubler

a gestr.: Month; b eingef.: von

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.11.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3950
ID
3950