Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 19. November 1874

Dorf Goisern den 19tn Nofbr 1874.

Innig verehrter Freund!

Gleich nach Ihrer Abreise habe ich von Ihren Verleger die 2 kostbaren Werke durch die Post zugeschükt bekomen, Ich danke Ihnen aufs herzlichste für diese Werthvoln Bücher, ich werde wohl für immer Ihr Schuldner bleiben müssen.

Auch die grosse Freude, die Sie mir mit Ihrem Besuch gemacht haben, ist meine ungeübte Hand nicht fähig Ihnen zu schildern, diese wenigen tage die Sie bey mir in den kleinen Stübchen in meinen Alpenhäuschen verweilten waren für mich ein einziger heiliger Festtag –! Das höchste war für mich die Fahrth nach der Gosau – Wie ich mit Ihrer Frau im Angesicht der Ewigen Eißfirnen auf den prachtvollen See herumschifte – meine Feder ist zu schwach die Seligkeit zu schildern die ich Empfunden habe! Ich häte || meine Brust mir füllen mögen, mit dieser himlischen Luft, mit dieser Seligkeit! Immerhin, dachte ich mir, hinaus wieder ins prosaische dürre Altags Leben. Die Erinnerung an solch heilige Stunden ist die Probe des Genußes. Ich wünschte ich könte mir solche schöne Augenblüke meines Lebens wie eine Feldflasche umhängen, um daraus zu trinken in den tagen des Unglüks!

Sie werden meine große Uberaschung bemerkt haben, wie ich Sie und Ihre liebe Frau zum erstenmahl begegnet bin, ich hate auf Ihren Besuch schon ganz verhofft und glaubte nicht mehr das Sie komen werden, auf einmahla standet Ihr vor mir, wahre Götter Bilder aus den blühendsten Zeitalter Griechenlands – so jung noch, und sob schöne Menschen vereint mit so hohen Geistesgaben hate ich nie zufor gesehen! Ihre liebe Frau, und Sie Herr Professor werden mir verzeihen das ich Ihnen mit Wahrheit schreibe wie ich dachte. Sie müssen mich rohen Natur Menschen nehmen, wie ich bin! ||

Da Sie mir versprochen haten, mir einmahl zu schreiben, und Ihre Ansicht über Fischer’s „Bewußtsein“ Ihre Kritik mitzutheilen, und mir ein Buch von Ihrem Freund Almers zu schüken, und auch Ihre liebe Frau mir versprochen hate mir Ihre Photografie zu schüken, So müssen Sie über meine Zudringlichkeit und unbescheidenheit nicht böße werden, daß ich Sie darauf zu Erinnern wage. Denn seid mir mein alter Freund Feuerbach hinter den Kulissenc (den wir Grabhügel nennen) verschwunden ist, sind Sie mein Gott! Sie können sich es kaum vorstellen wie ich mich auf den künftigen Sommer freue, wenn Sie Edler Muthiger Denker und Forscher Ihren Versprechen gemäß, wieder auf längere Zeit zu uns kommen. Da werden Sie in den Zimmer wohnen, die diesen Sommer Simony bewohnte. Kommen Sie ja gewiß!

Haben Sie die Beilage zur allgemeinen Augsburger Zeitung, N 17 Monath Nofember gelesen? Wie || Johannes Huber mit Ihnen ohne das mindeste Verständnis von Naturforschung verfahren ist? und was er von Eduard v. Hartmann sagt? Was mich anbelangt so habe ich mich darüber tüchtig geärgert. Fischers Urtheil über letzteren war doch recht.

Wenn Sie über unsern Professor Karl Grün eine Bestättigung Ihres Urtheils wissen wollen, so lesen Sie Karl Heizens „Erlebtes“ 2tn Theil Seite 430. Erzlump, Betelbrifsteller, Hochmuthspinsel sind die gelindesten Titl die er dort mit vollem Rechte erhält. Wenn Sie dieses sehr Interessante Buch lesen wollen so könte ich es Ihnen schüken.

Das neue Buch von meinem Freunde Radenhausen: „Osiris“ als Seitenstück zur Isis kennen Sie selbstverständlich ohnehin.

Seid Sie von mir Abgereist sind haben wir immer schönes prachtvoles Weter gehabt, erst vorige Woche fing || es zu Regnen an, dann brachte ein gewaltiger Sturmwind den ersten Schnee, und zwar so viell das er mir bis zur Weste herauf reicht. Gestern fing es wieder zum Regnen an was jezt noch fort dauert. Ihre Bücher nebst der Gartenlaube sind diesen Winter die einzigen guten Kammeraden, die meine Einsamkeit in Primesberg mit mir theilen.

Wie geht es Ihnen, wie den lieben Ihnen angehörigen?

Leben Sie wohl, grüssen Sie mir Ihre liebe Frau, und behalten Sie mir auch in Zukunft Ihre Freundschaft.

In ehrfurchtsvoller Hochachtung

Ihr dankbarer treuer Freund

Konrad Deubler

a eingef.: einmahl; b eingef.: so; c irrtüml: Coulisen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.11.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 3947
ID
3947