Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 30. Juni 1873
Jena 30 Juni 73
Liebste Mutter!
Diesmal erhältst Du von mir einen doppelten Geburtstags-Gruß. Ich wurde heute früh durch beifolgendes Buch über Deinen Sohn überrascht, das mir von Paris zugeschickt wurde. Abgesehen von den schönen Elogen (die Deinem Mutterherzen sehr wohl thun werden) enthält das Buch so viel Richtiges und besonders so gutes Verständniß meiner Bestrebungen, daß es Dich interessiren wird. Du kannst das Buch gehalten, da ich mir ein anderes Exemplar bestellt habe. –
Deine beiden Briefe erhielt ich gestern und heute. Die gewünschte Actie folgt hierbei mir. || Ferner sende ich Dir ein rührendes Gedicht von Allmers, das er mir neulich schickte. –
Zu meiner großen Freude hat Agnes gestern von selbst den Wunsch geäußert, Du möchtest uns doch noch ein paar Wochen besuchen. Sie wird Dir selbst darüber schreiben. Wie ich selbst das wünsche, liebe Mutter, brauche ich Dir nicht erst zu sagen. Komm, wann es Dir am besten paßt. Wenn Du von hier noch nach Bonn gehst, könnte ich Dich Mitte August etwas begleiten. Anderenfalls ist es besser, Du kommst früher. Wer weiß, ob wir Sommer 1874 noch in Jena sind. Gegenbaur geht jedenfalls im September fort. –
Daß es Tante Bertha besser geht, freut mich sehr. Beste Grüße an sie, Clara und die Kinder.
Dein treuer Ernst