Haeckel, Ernst; Haeckel, Agnes

Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Urfeld, 28. August 1867, mit Beischrift von Agnes Haeckel

Urfeld am Walchensee | Mittwoch 28. August 67

Liebste Eltern!

Heute haben wir endlich einen ersten ruhigen Tag, an welchem wir zum Schreiben kommen. Die ersten acht Tage unserer Hochzeitsreise waren wir so sehr glücklich, daß wir darüber Beide nicht zum Schreiben kommen konnten.

Wir sind beide sehr, sehr glücklich und vergnügt. Unsere Reise ist in jeder Beziehung bis jetzt sehr vom Glück begünstigt gewesen, und wir konnten uns Nichts Besseres wünschen. Am Dienstag 20 August, wo wir Euch um 2 Uhr verließen, fuhren wir bis Eisenach, wo wir ein recht angenehmes Zimmerchen im Rautenkranz bekamen. Mittwoch morgen, bestiegen wir, da Agnes sehr wohl und munter war, die Wartburg und gingen durch das Marienthal zurück.

Als wir um Mittag auf dem Werrabache weiter fuhren, hatten wir noch die Freude, einen Augenblick Bruder Carl zu sprechen. Den zweiten Abend blieben wir in Coburg.

Donnerstag 22 August fuhren wir von dort nach Nürnberg, wo wir einen sehr hübschen Nachmittag verlebten, im Anschauen der herrlichen Bauwerke dieser wunderhübschen Stadt. || Freitag fuhren wir von Nürnberg nach München, wo wir drei äußerst schöne und genußreiche Tage verlebten. Agnes war ganz glücklich über die prachtvollen Kunstschätze dieser wundervollen Stadt, und mir machte es die größte Freude, sie damit bekannt zu machen.

Montag 26. August Mittags fuhren wir von München per Eisenbahn nach Starnberg, dann in 2 Stunden mit Dampfboot über den sehr freundlichen Starnberger See nach Seeshaupt, wo wir übernachteten. Gestern von dort per Eisenbahn nach Penzberg, dann per Omnibus nach dem Kochlsee, zu Nachen über diesen schönen See hin, und endlich zu Fuß (in 1 Stunde) hieher. Bisher hatten wir das schönste Wetter. Gestern Abend jedoch kam ein heftiges Gewitter und heute hat es den ganzen Tag geregnet. Wir werden wohl noch ein paar Tage hier liegen und auf || gut Wetter warten müssen.

Indessen sind wir nicht böse darüber, da uns jetzt ein paar Ruhetage an dem Ufer des einsamen, großartigen Walchensees ganz willkommen sind. Unser kleines Gasthaus liegt unmittelbar am Ufer des dunkelgrünen herrlichen Sees, an dessen jenseitigen Ufer das prachtvolle wilde Karwendelgebirge steil emporsteigt. Wegen übermüthiger Fußtouren und sonstigen Anstrengungen seid ohne Sorgen; ich habe für diese Reise ganz darauf verzichtet, da die Wanderkräfte von mir und von Agnes zu ungleich sind. Desto vergnügter genießen wir die schöne Alpennatur diesmal in aller Ruhe, und ich hoffe, dabei viel zum Malen und Zeichnen zu kommen. Bitte, schreibt uns poste restante Jenbach (Nord-Tyrol). Wir werden dort in 6–8 Tagen sein.

Hoffentlich hören wir recht Gutes von Euch. Es grüßt Euch von Herzen Euer sehr glücklicher und vergnügter Ernst. ||

[Beischrift von Agnes Haeckel]

Liebste Eltern! Von mir diesmal nur wenige Zeilen, um Euch recht herzliche Grüße zu schenken und Euch zu sagen, wie sehr wie ganz glücklich ich durch meinen liebsten Ernst bin. Er ist rührend gut gegen mich und ungemein nachsichtig mit meinen schwachen Kräften! – Wir haben sehr vergnügte, genußreiche Tage in dem anziehenden München verlebt, ich habe so viel Schönes Interessantes gesehen, daß mir die große Stille und fortwährender Regen hier in Urfeld sehr passend ist, Langeweile haben wir nicht zu fürchten. – Die ganze vergangene Woche war so reizend hübsch, daß ich selig in der Erinnerung bin. Hoffendlich liebste Mutter thut Dir das Bad recht gut, was ich Dir von Herzen wünsche! –

Adieu für heute, viele Grüße an Vater und an Dich schickt Deine sehr glückliche

Tochter Agnes.

 

Letter metadata

Datierung
28.08.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38452
ID
38452