Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Karl Haeckel, Venedig, 23. April 1897

Venedig 23.a April 1897.

Lieber Bruder!

Durch die Postkarte von Frl. Kniebe, die ich gestern hier erhielt, erfuhr ich zu meiner großen Freude, das es Dir wesentlich besser geht und die böse Pleuritis im Rückgang ist. Hoffentlich schreitet nun die Genesung andauernd fort, und bringt Dir der nahende Frühling bald volle Gesundheit. Nimm Dich aber noch in Acht, besonders vor neuen Erkältungen, bei dem doch immer wechselnden Frühjahrs-Wetter. Geh‘ auch nicht zu früh aus der warmen Stube! Sei hübsch geduldig!! (Wie dein theurer Bruder!!) ||

Wenn Du zu Deiner völligen Herstellung eine Badereise machen oder eine südliche „Luftkur“ (etwa in Meran oder Lugano, Riva etc.) gebrauchen sollst, weißt Du, daß meine Kasse stets für Dich geöffnet ist. Frl. Kniebe danke ich für Ihre treue Pflege und ihre Nachrichten ganz besonders.

– Unser Aufenthalt in Nervi (17 Tage, vom 3.- 20. April) war sehr hübsch und hat das Befinden meiner Frau sehr gebessert (in San Remo war sie im März recht elend gewesen). Ich habe die herrliche Riviera Levante (Sori, Rapallo, Portfino, Chiavari) wieder recht genossen und viel gemalt. Sie kann mit Sicilien wetteifern. ||

Am 20. April fuhren wir von Nervi über Genua nach Mailand; dort hatten wir am 21. einen herrlichen Morgen (mit ganz klaren Alpen-Panorama vom Dach des Dom-Turms). Nachmittags in 6 Stunden hierher. –

In dem italiänischen Albergo Vapore sind wir recht gut logirt. Ich ziehe in Italien immer die italienischen Hôtels den deutschen vor, jetzt um so mehr, als meine beiden Damen dann nicht immer Contre-Orders geben können! Wir haben nur 2 Minuten zum Marcus-Platz, der seinen bezaubernden Reiz bei schönstem Sonnen-Glanze (– und Abends bei prächtiger Beleuchtung) uns wohl empfinden läßt. Wir sind alle drei davon sehr entzückt. ||

Ich denke lebhaft an den tiefen Eindruck, den die einzige Venezia vor 43 Jahren (1844?) Auf Dich als Heidelberger Student gemacht hat (– wie 1855 auf mich als Würzburger Student). – Übermorgen, Sonntag, 24. April, fahren wir auf der schönen Pontebba-Bahn nach Wien, wahrscheinlich in 3 Stationen: Tarvis, Bruck, Wien. Dort wollen wir 3 Tage bleiben. Ich werde auf der Hauptpost in Wien nach postlagernden Briefen fragen. Am 1. Mai von Wien nach Eger; Sonntag 2. Mai Abends in Jena. Bitte theile diese Zeilen Tante Bertha und Frl. Kniebe mit.

Herzlichsten Gruß an alle Lieben.

Dein treuer Bruder Ernst.

a korr. aus: 22.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.04.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38176
ID
38176