Heidelberg 7. März 75
Liebste Agnes!
Diese Zeilen bringen Dir den ersten Gruß von der Reise, und zugleich die Nachricht, daß mir deren Anfang bis jetzt recht gut bekommen ist. Pohle wird Dir bereits mitgetheilt haben, daß die Post, die mich gestern nach Weimar bringen sollte, sich so in Jena verspätete, daß ich den Anschluß in Weimar nicht erreicht haben würde. Ich entschloß mich also im letzten Augenblick noch rasch, Extra- Post zu nehmen, fuhr mit 2 jungen feurigen Rappen in einer und ¼ Stunde an den Bahnhof Apolda und erreichte so noch rechtzeitig den Anschluß an den Schnellzug nach Frankfurt, um 9 U. ||
In Frankfurt kam ich um 4 U. Nachm. an und wurde auf dem Bahnhofe von meinem unbekannten Freunde und Verehrer Ludwig Noiré aus Mainz empfangen, dessen höchst liebenswürdige persönliche Bekanntschaft mir eine große Freude bereitet hat.
Er ist ein prächtiger Mensch, voll warmer Begeisterung für unsere Sache, wie ich mir ihn aus seinen Briefen und Büchern vorgestellt hatte. Wir verlebten zusammen im Brüsseler Hof drei höchst gemüthvolle und interessante Stunden.
Um 7. Uhr Abends fuhr ich weiter nach Heidelberg, wo ich um 10 U. ankam und von Freund Gegenbaur auf dem Bahnhof herzlichst empfangen wurde. Wir plauderten || zusammen bis nach Mitternacht. Dann schlief ich vortrefflich, ununterbrochen 8 Stunden, was mir seit ½ Jahren nicht passirt ist, und erwachte heute früh neugestärkt und munter, ohne Kopfschmerzen und ohne Catarrh. Heute (Sonntag) Nachmittag machten wir einen längeren Besuch bei Cuno Fischer, der in seinem neuen Palaste prächtig eingerichtet und sehr vergnügt ist.
Heute Nachmittag besuchten mich Fürbringer und Oscar Hertwig der heute von Bonn kommt. Richard wird Abends kommen. Morgen früh fahren wir nach Carlsruhe, wo ich Abends den Vortrag über die Korallen halte. || Dienstag geht‘s nach Marseille. Hast Du mir Eiliges mitzutheilen, so schreibe nach Marseille poste restante (3 Groschen franco). Ich werde dort nach Briefen fragen. Die sonstigen Briefe adressire: Ajaccio (Corsica) poste restante (via Marseille).
Hoffentlich höre ich bald Gutes von Euch, Ihr Lieben! Dir und den Kindern einen herzl. Kuß!
Dein treuer Ernst.
Von Gegenbaurs (die alle sehr wohl sind) herzlichen Gruß.
Schicke diesen Brief, wie die folgenden an meine Mutter.