Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 9. März 1881

Potsdam 9/3 81.

Liebe Agnes!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, der mich sehr erfreut, da er mir sagt; daß Ihr, meine lieben Jenenserkinder, wieder alle wohl seid. Du hast mich sehr erfreut da Du mir etwas von Euerem Leben mittheilst. Daß Ihr solch hohen Genuß durch das Concert von Herrn v. B. gehabt, freut mich sehr. Auch daß endlich das Semester geschlossen, in dem Ernst so manche Verdrießlichkeit gehabt. Nun soll mein guter Herzens Sohn auch die Quickereien abschütten, || und mit frischen Muth dem Sommer entgegengehn, möge er Euch viel Freude bringen, vorzüglich Gesundheit. Ich denke für Ernst wird es gut sein, wenn er sobald es möglich ist, eine kleine Veränderung hat, und da hoffe ich wird ihm die Reise her gut thun, und wie ist es kannst und wirst Du ihn begleiten? Das wäre ja sehr schön. Ist Deine Schwester Clara dann zurück, daß die dann Euere Kinder bemuttert? a zum Mittkommen der Kinder ist die Jahreszeit noch nicht, und sind auch wohl die || Ferien zu kurz. –

Meine Sehnsucht nach Euch ist groß; und ich bitte Ernst dringend, daß er es einrichtetb, daß er so lange als möglich, hier bleibt; meine Stunden sind gezählt. – –

Du fragst, meine liebe Agnes, ob die Folgen des Sturzes vorüber seien, ich bin ja gesund; ob die manchen kleinen Quieckereien: Kopfweh, Schmerz in den Gliedern etc vom Fall noch sind oder Erkältung, was bei dem schauderhaften Wetter nicht anders sein kann, oder ob Altersschwäche; ich denke diese drei Dinge sind geschäftigc bei mir. – – ||

Daß Du, meine liebe Agnes, etwas Hauskreutz hast durch dasd Erkranken des Stubenmädchens hast, thut mir leid! und wünsche ich glückliche Genesung, jeder Wechsel mit Leuten ist ja unangenehm, und da Du ja mit dem Mädchen zufrieden warst würde ich nicht gleich eine andere miethen, denn wenn sie auch Anfangs etwas wird geschont werden müssen, so geht das ja auch im Sommer leichter. Auch denke ich immer die Herrschaft ist auch verpflichtet Geduld bei Krankheit der Leute zu haben. – ||

Bei Karl ist auch etwas Mädchen Noth: Die Köchin ist seit 14 Tagen im Krankenhaus, da sie sich im Finger geschnitten hat, der sehr schlimm wurde. Da ich nicht weiß ob ich Dich bald hier haben werde, und Dir mündlich sagen kann, daß Du künftig, wenn Du Apfelkraut bekommst, es getrost in dem Fasse lassen kannst, worin Du es e erhälst; so thue ich es hiermit schriftlich.

Nun ein anderes Capittel: Da will ich Dir einiges von hier mittheilen: Bei dem Einzug unseres Fürstenpaars war Anna auch unter den Ehrenjungfern zum Em-||pfang der Prinzessin. Abends war Illumination und Fackelzug der Gimniasiasten; Du kannst denken, welch Ereigniß dies für Georg und Julius war.

Ganz Potsdam war auf den Beinen, selbst die stille Kietzstraße war auch erleuchtet; Bertha war aus Berlin gekommen, um bei mir und Siegfried zu bleiben. Diesen legten wir nachdem er meinef 42 Lichter brennen gesehn, in mein Bett, wo er ruhig schlief bis sie || ihn später schlaffend herunter trugen. Bertha sah ab und zu nach, g ob unten auch kein Schaden durch die Lichter zu befürchten sei, was ich oben besorgte, und alles ist gut abgelauffen. – Bertha ging den folgenden Tag wieder nach Berlin zurück; da sie Unruh hatte wegen ihrer Wohnung, die noch nicht vermiethet war, und sie die neue in der Friedrich Wilhelmstraß schon am 16ten dieses beziehen wollte. – Gestern be-||kam ich nun zu meiner Freude die Nachricht, daß ihre Wohnung vermiethet ist. – –

Nun Dir, meinem lieben Ernst, noch herzlichen Dank für Deine liebe Zeilen; ich freue mich, daß ich Dich nun in einigen Wochen hier haben werde, mit ist es, wie eine Ewigkeit, daß ich Dich nicht gesehn. Lieb wäre es mir, wenn ich 14 Tage vorher von Deinem Kommen wüßte, nicht etwa um feierlichen Empfang zu bereiten, sondern um zeitig Heringe einzulegen etc. Die lieben Jenenser, Groß und Klein grüßt innig die alte Großmutter Lotte.

a gestr.: Denn; b korr. aus: Einrichtet; c korr. aus: geschäftigt; d korr. aus: daß; e gestr.: bekommst; f gestr.: unsere; eingef.: mehrere; g gestr.: da

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.03.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36906
ID
36906