Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 21./22. Dezember 1876

Potsdam 21/12 76

Mein lieber Ernst!

Gestern wurde ich recht überrascht durch Deine Sendung, aber Du machst es zu arg, freilich thut mir Deine vorsorgliche Liebe wohl, deren Beweiß es ist, aber es bedarf ja des Beweises nicht, bin ich es mir doch bewußt, wie innig wir vereint sind; thut es mir doch so wohl, daß ich mit Dir alles besprechen kann, was mich bewegt, Du verstehst Deine alte Mutter und sie Dich. Und so, mein Herzens Sohn, soll es hoffe ich mit uns auch ferner bleiben. – ||

Hab tausend Dank für alle schönen Gaben, ganz besonders aber noch für die Freude, die Du mir durch die Photographien der Kinder gemacht, das liebe kleine Volk. Gott behüte sie und gebe ferner Gedeihen. Wie erfreut es mich daß Ihr, Lieben jetzt gesund seid; so werdet Ihr auch hoffentlich ein schönes Weihnachtsfest haben. Ich werde auch die Freude haben, Bertha bei mir zu sehn, die wahrscheinlich Sonnabend kommt, und bis nach Neujahr bei mir bleibt. ||

Hermann wird auch 14 Ferientage bei den Eltern verleben, auch Heinnrich kommt von Leipzig, da werden Karls Kinder alle zusammen sein, bis auf das unglückliche Schmerzenskind. – – –

Nun zum geschäftlichen: ich bitte Dich dringend, mir mit ein paar Worten zu sagen, ob Du willens bist, noch von den Grundschuldscheinen der Westphalia zu nehmen und wie viel? Ich möchte es aber gerne in den nächsten Tagen wissen, um darnach meine Einrichtung zu treffen; es ist mir nämlich || ein Capital, was in Berlin auf Hipotek stand gekündigt, was mir am 2ten Jannuar ausgezahlt wird; natürlich würde ich es gleich in sichere Pappiere anlegen; nimmst Du aber Schuldbriefe, die ja nach der Anzeige erst am 1sten Aprill verzinst werden, so würde ich das Geld bis dahin in die Creditbank legen, und dann zu den Schuldbriefen verwenden, und ich würde die Pappiere nehmen, die Herr Joachim || für Dich von dem leipziger Geld angekauft hat. Also bitte gieb mir bis Ende dieses Monaths darüber Nachricht. – Karl wird Dir heute auch wohl in dieser Angelegenheit heute geschrieben haben, da er meint, ich müsse nach Vaters Testament Euere Einwilligung zu dem Empfang des Geldes haben, weil das Document auf Häckels Namen eingetragen ist. Nun gute Nacht. – ||

22/12 Gestern Abend war ich zu müde, und heute früh, als ich eben abschicken wollte, brachte der Postbote die Adresse zu dem Packet von Dir was ich aber selbst abholen müsse. Das konnt ich freilich erst um Mittag, weil ich am Pletten war. – So habe ich denn eben erst das Packet geöffnet, und war ganz überrascht ausser dem Mikroskop noch so viel herrliche Sachen zu finden. Du, lieber Herzens Junge, machst es aber zu arg. Habe tausend Dank für alle Liebe; ich werde aber sorgen, daß Buch wie || auch Photographien gut gehalten werden, damit Du es noch sonst verschenken kannst; denn all diese Herrlichkeiten mußt Du wieder nehmen, wie so manches, was ich noch von Dir habe. –

Als ich eben mich hinsetzte zum Schreiben kam Karl mit Heinnrich, der heute Nachmittag von Leipzig gekommen ist, Heinrich sieht wohl aus und ist zufrieden. Auf meine Anfrage sagte Karl, er habe Dir noch nicht geschrieben, weil er erst von Berlin Antwort erwarttete von dem Justizrath der die Sachen besorgte. – ||

Ich freue mich recht über Agnes Brief, und werde ihr bald selbst meinen Dank dafür sagen, heute kann ich nicht mehr, da ich mürbe und müde von den heutigen Strapatzen bin, will das Schreiben gar nicht gehn. Meine große Kiste mit bescheidenem Inhalt ist hoffentlich angekommen, und ich bitte noch damit vorlieb zu nehmen. – Von Herzen wünsche ich Dir, Deiner lieben Frau und den Kindern ein frohes ungetrübtes Weihnachtsfest. Gott sei mit Euch Lieben. Wie immer Deine alte Mutter

Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.12.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36721
ID
36721