Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 31. Dezember 1875

Potsdam 31/12 75.

Liebe Agnes!

Von Herzen danke ich Dir für alle Liebe, die Du mir im nun endenden Jahre bewiesen, und noch besonders für Deine beiden Briefe. Ganz überrascht war ich durch die niedliche Arbeit, hab tausend Dank dafür. Innig habe ich mich gefreut über Walters Weihnachtskind und Lisbets Seiflappen. Beim Empfang hätte ich am liebsten beiden Kindern einen Brief geschrieben, aber ich konnte nicht dazu kommen, mit meinem Schreiben geht es immer schlechter; nun wird es wohl bleiben bis zu Lisbets Geburtstag. Sag vorläufig beiden Dank. ||

Daß Ihr die Festtage so vergnügt verlebt habt hat mich sehr gefreut. Gott erhalte Euch das große Glück im Gedeihen der Kinder. Möge das nun herangerückte Jahr für Euch ein recht glückliches und gesegnetes sein.

Wir haben auch die Weihnachtstage vergnügt verlebt; ich war Heiligabend und beide Feiertage bei Karl. Heiligabend war in der großen Eßstube der Lichterbaum angezündet, und ich freute mich über die große Freude und Genügsamkeit der Kinder. Es lag ja in den Verhältnissen, die ernste Zeit hat ja die Einnahmen geschmälert, dann fiel das Geschenk der || verstorbenen Großmutter weg und noch manch anders; aber an der Freude der Kinder merkte man nichts, die hätte nicht größer sein können, wenn sie alles in Fülle bekommen hätten. Das veranlaßt mich wieder zu der dringenden Bitte: überhäufe die Kinder nicht mit Geschenken. ich habe die Kinder so lieb, da möchte ich so gerne ihnen den Sinn erhalten: sich an Kleinem freuen zu können.

Hast Du für die Kinder jetzt eine Spaarkasse angelegt? Habt Ihr in Jena keine, so will ich es hier für sie einlegen. Du, meine liebe Agnes, mußt als Mutter das in die Hand nehmen, die Männer können sich nicht darum bekümmern. ||

Nach Deinem Briefe, den ich eben erhalten, schliesse ich, daß klein Emma das Kleidchen, das ich ihr gestrickt habe, gar nicht brauchen kann; wenn das ist, schreibe nur, ob ich es ändern kann, und schicke es mir nur, ich will dann sehn ob ich es verbessern kann. –

Für heute, meine liebe Agnes, muß ich Dir Lebewohl sagen; Karl war eben hier und will daß ich noch ein paar Stunden zu Ihnen kommen soll. – Grüsse Deine liebe Mutter herzlich und bring ihr zum Neuenjahr meine beßten Wünsche, in dem ich auch um Deine Liebe bitte.

Deine alte

Mutter Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
31.12.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36673
ID
36673