Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Potsdam, 25. Oktober 1875

Potsdam 25/10 75.

Liebe Agnes!

Gottes reicher Seegen sei mit Dir im neuen Lebensjahr, daß Du morgen beginnst; er erhalte Dich mit Mann und Kinder gesund und schenke Dir viel frohe Tage, vor allem Freude an den Kindern, deren geistiges und körperliches Gedeihen ja das größte Erdenglück der Eltern ist. Mögest Du den morgenden Tag recht fröhlich mit Deinen || Lieben verleben. –

Hoffentlich ist Deine liebe Mutter so wohl, daß sie bei Euch sein kann; grüsse sie herzlich von mir. Mir ist es freilich nicht vergönnt, Dir mündlich meinen Glückwunsch zu bringen, aber in Gedanken werde ich bei Dir sein. Sehr lieb war es mir, daß ich Dich noch in Berlin sah, nur schade, daß Du nicht länger bleiben konntest.

Ich bin erst Freitag von Berlin zurückgekommen, hatte || dort schreckliches Regenwetter, doch hat es mir viel Freude gemacht, einige Tage bei Bertha zu sein, und doch auch manche alte Freunde zu sehn. Zu Berthas Geburtstag kamen viele fast zu viele für meinen schwachen Kopf; und so ist es ja auch gut, daß ich wieder zu Hause bin, von der Einsamkeit habe ich noch nicht viel gelitten, da ich tüchtig zu Arbeiten habe: Frei-||tag fand ich beim Zurückkommen bei Karl alles wohl, nur Clara hat wieder Schmerz im Fuß, was mich bekümmert, doch meinte sie gestern es wäre schon besser. Sonnabend war das Vergnügen des Wäschezählen und sonstige Vorbereitungen dazu, gestern waren Heinnrich mit Gertrud und Adelheid hier; sie kamen schon früh, da Heinnrich mit Karl Geschäfte hatte, zu Mittag waren wir bei Karl zusammen, || heute beginnt nun das alten Hausfrauen schwer werdende Waschfest; das Mädchen ist meist im Keller und ich spiele Köchin, daher verzeihe mein flüchtiges Schreiben, weil ich alle Augenblick die Feder niederlegen muß um nach dem Feuer zu sehn, und das die Rüben etc. nicht brennen. –

Sorge nur, daß morgen an Deinem Geburtstag gutes Wetter ist, ich wünsche es auch sehr, damit die Wäsche im Freien trocknen kann. – – ||

Ich wollte Dir gerne zum Geburtstag eine kleine Freude machen, und hatte mir vorgenommen Dir in Berlin ein schwarzseidenes Kleid zu kauffen, nun schien mir aber Deins noch so gut, daß Du Dir vielleicht nicht gleich ein zweites machen würdest, und so schicke ich Dir lieber hierbei 90 Mark mit der Bitte, daß Du Dir etwas nach Wunsch kauffen || möchtest; auch habe ich Dir von Berlin Thee mitgebracht; laßt ihn Euch gut schmecken, in der kleinen Thüte ist Krümelthee, den wollten wir mal versuchen, Bertha ist sehr damit zufrieden, man muß nur den Thee beim Gebrauch durch ein Sieb giessen. –

Grüß und küsse mir die Kinder herzlich, und behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte Häckel

Brief Metadaten

ID
36663
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
25.10.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36663
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Agnes; Potsdam; 25.10.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36663