Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 25. Januar [1875]
Potsdam 25ter Januar
Lieber Ernst!
Herzlich danke ich Dir für Deinen lieben heute erhaltenen Brief. Ueber Deine Versicherung Eueres Wohlseins habe ich mich herzlich gefreut. Daß aber kleine Emma so viel an den Zähnen leidet, thut mir sehr leid; hoffentlich erholt sie sich bald, und gedeiht dann munter. Auch freue ich mich sehr für Agnes, daß sie zum 11ten März ein Kindermädchen bekommt; und dadurch wieder die erwünschte häusliche Ruhe und Ordnung, halte nun nur ja von Anfang darauf, daß Walter und || Lisbet sich geziemend gegen das neue Mädchen betragen, und darum ist es nöthig, daß sie mir den Tadel des Mädchens mit anhören. Agnes hat so lange sich so behelfen müssen, daß ich nun auch sehr wünsche, daß die Neue sich gut einlebt und lange bleibt. Daß Du mit Agnes mehrmals in Gesellschaft und Theater warst, freut mich, auch daß Du Dich nicht so überarbeitest. Dann kannst Du auch manch freies Stündchen der Frau widmen, und Ihr Euch der Kinder freuen. Den Brief nach Erfurt schicke ich Dir || hierbei zurück. Möge Dir der Ausflug dahin Freude machen und gut bekommen. Das Geld aus Amerika ist ja ein schöner Zuschuß zur Reise, die Du im Frühjahr denkst zu machen, mir ist es sehr lieb, daß Du die weitere Reise aufgegeben hast; das Meer ist in diesem Jahr zu tückisch, man liest von so vielen Unglücksfällen. –
Hier bei Karl ist alles wohl, Clara war oft bewegt in diesen Tagen, heute vor einem Jahr wurde der Kleine begraben. – Sehr schmerzlich bewegt uns das lange, schwere Leiden meiner || armen Schwester Auguste. Ach, es ist doch zu traurig die Seinigen so lange sich quälen zu sehn. –
Da müßte man verzweifeln, wenn man nicht die Zuversicht eines höheren, besseren Lebens hätten. Gott stärke uns alte mit Ergebung hier zu tragen, was er uns auf erlegt. –
Gestern Abend waren Hermann und Heinrich bei mir und erfreuten sich Deine Aquarellen zu sehn. – Nun mein Herzens lieber Sohn, leb wohl und behalte lieb
Deine
alte Mutter Lotte.