Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 11. September 1873

Potsdam 11/9 73.

Mein lieber Ernst!

Sei mir von Herzen willkommen in Deinem Daheim. Wie freue ich mich, daß Du die Reise gesund und glücklich zurückgelegt und Frau und Kinder wohl gefunden hast. Auch für Agnes freut es mich, daß nun die Einsamkeit vorüber ist. Gott gebe daß nun auch ferner mit Deiner lieben Frau alles nach Wunsch gehe, und Euer häusliches Glück recht frisch und ungetrübt bleibe. Die beiden kleinen Putzels sind auch wohl erfreut ihren lieben || Vater wieder zu haben, wenn auch Lisbeth gewiß Anfangs etwas spröde wird gewesen sein, und nur Mamas sein Lisbet sein will. –

Hoch erfreut war ich heute als ich Deinen Brief bekam; Du hast doch einen reichen Genuß gehabt so viel Naturschönheit und dann so manche angenehme Bekanntschaften. Darin war doch auch manch schönes Zusammentreffen. Nun, bitte ich Dich aber auch dringend übernimm Dich nicht wieder so mit Arbeit, Du || kennst ja meine Ansicht, daß ich es für ein Glück halten [!], wenn jeder Mensch thätig ist, und seine ihm zu gemessene Zeit sucht nützlich zu brauchen, aber Uebermaß muß ernstlich vermieden werden; haushälterisch muß man mit der körperlichen und geistigen Kraft umgehn, sonst altert der Mensch frühzeitig, und verbraucht sich – reibt sich auf. –

Um mich mache Dir keine Sorge, ich bin wieder ganz gesund; und habe auch strenge Order vom Doctor Klöne, der sagt man müsse doppelt vorsichtig sein, wenn man solche Attake gehabt habe. ||

Viele Grüsse an Agnes, die ich bitte, mir bald a Antwort zu geben wegen dem Küssen, ich möchte die Sachen gerne bald abschicken, damit sie alles in Ordnung hat, ich denke es durch die Eisenbahn zu schicken, da ist aber wohl nöthig als Eilgut? oder soll ich es durch die Post schicken? Karl und Kinder sind wohl, die arme Clara leidet aber furchtbar an den Zähnen, dabei meist schlaflose Nächte. Hoffentlich wird es bald besser. ||

Heute kam ein Schreiben von Dortmund. Darnach werden die Hipothekendocumente jetzt ausgefertigt und nächstens ankommen. Heute früh ist Karl auf ein paar Stunden nach Berlin gewesen und hat die Einzahlung auf die Berlin Potsdam Magdeburger Eisenbahn besorgt, und bei Herrn Joachim, dem ich unsere Thuningschen Actien zum Verkauf geschickt habe; ich war am 1sten September in Berlin, um alles bei Herrn Joachim zu ordnen, und da wurde beschlossen, die Thuningschen Aktien zu verkauffen. || Auch habe ich Herrn Joachim das Verzeichniß Deiner Papiere gebracht. Ich hatte hier dasselbe verglichen mit den Coupons, die ich von Dir habe, und da gesehn, daß ich von b mehreren keine hab, sieh also mal nach ob Du die dort hast: Coupons fehlen:

1) zwei N. 634 und 635 der Berlin Stettiner Eisenbahn

2) eins von der Preusischen Anleihe über 500 Thaler N. 59514.

3) ein Coupon der Rheinischen Eisenbahn N. 27740.

4) Von der Weimar-Geraer habe ich keine Coupons.

5) Auch nicht von der Böhmischen Nordbahn ||

6) Im Verzeichniß stehen 4 Prämienantheilscheine der Cöln-Mindnerbahn, ich habe weder die noch deren Coupons. −

Dieses mußt Du bei Dir nachsehn, sonst wird hier alles besorgt und ich werde Dir später die ganze Berechnung schicken. – Wenn ich kann, werde ich Dir einige Flaschen von dem Rothwein miteinpacken, den Du doch gerne versuchen wolltest. Bitte gebt mir nur bald Nachricht. Grüsse Agnes und die Kinder herzlich und behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte

a gestr.: zu; b gestr.: vielen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.09.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36539
ID
36539