Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 24. – 26. Juni 1873

Potsdam 24/6 73

Lieber Ernst!

Den Brief von Allmers habe ich gleich nach Empfang an Clara geschickt, ob sie ihn Karl nachschicken könne. Karl ist am Sonntag früh nach Hannover gereist, wo er sich ein paar Tage aufhalten wollte, hauptsächlich um einer Sitzung des dort übligen Sivielprozesses [!] beizuwohnen. Soviel ich von Karl verstanden hatte, wollte er auch ohne Nachricht zu haben, Almers besuchen.

Wohl kann ich mir denken, wie Dich es bewegt, daß Gegenbauer den Ruf nach Heidelberg angenommen hat; aber ich finde es auch ganz in Ordnung, durch Freundschaft darf sich doch ein Mann nicht bestimmen lassena, etwas zu ändern in seinem Leben, was er für seinen Beruf als wichtig erkennt. Du, mein lieber Ernst, mußt auch in dieser Lebensschickung das Gute aufsuchen, wenn Dir auch sehr der tägliche Verkehr mit Deinem lieben Freund fehlen wird, so bleibt Dir doch seine Freundschaft, und auch entfernt werdet Ihr Euch nahe bleiben; welche große Freude wird es Dir sein, wenn Gegenbauer Dich künftig besucht, und Ihr das alles in || der Erinnerung nochmals durchlebt. Dafür ist es auch gut, daß Ihr jetzt eine geräumige Wohnung habt, daß es Euch nur Freude macht Jemand bei Euch aufnehmen zu können. Für Agnes ist es mir auch recht leid, daß sie nun grade die Frau entbehren soll, zu der sie sich so hingezogen fühlt. – Du schreibst mir nichts von Deines Schwagers Frau, hoffentlich geht es ihr gut? – Seit Sonntag habe ich auch Sorge um Bertha gehabt, die wegen Kranksein nicht wie sie gewollt, hatte her kommen können. Nun schreibt sie || mir zwar heute, es ginge ihr besser, ich denke aber doch morgen hinzufahren, um selbst zu sehn, wie es ihr geht, da ich ohnehin in dieser Woche Joachim sprechen muß.

Clara hat auch Sorge gehabt, ihr Neffe, ein Sohn von Liskow, hat eine gefährliche Opperation von Drüsen am Halse überstanden, dieb Wilm gemacht hat; nach der Beschreibung ist das recht schlimm gewesen; hoffentlich wird es gut werden. –

D. 26sten. Eben komme ich von Berlin und beeile mich Dir trotz Müdigkeit gleich das Nöthige mitzutheilen. ||

Gestern konnt ich des Regenwetters wegen nicht fahren, verschob es auf heute, wo es denn auch nur leidlich war, viel Regen und Wind, ich bin aber doch froh, daß ich gefahren bin; Bertha fand ich leidlich; sie hat mehrmals müssen schröpfen lassen, was ihr auch Erleichterung gebracht hat. Quincke will eben durchaus, daß sie ernstlich was für ihre Gesundheit thun soll, entweder nach Ems oder nach Engelberg in der Schweiz; zu letzterem habe ich sehr || zugeredet, wenn es ihr dieselben Dienste thut. Sonnabend denkt sie auf ein paar Tage zu mir zu kommen. Doch werde ich Dir über alle Reisepläne und sonstiges in den nächsten Tagen ausführlich schreiben, heute nur das geschäftlich nöthige berichten:

1) sind die Obligationen der Nieder-Schlesischen Zweigbahn zum 1sten July gekündigt; Du mußt dies Pappier also bald schicken; die Coupons dazu sind bei mir. ||

2) Siehst Du aus dem Zeitungsausschnitt, der hierbei liegt, daß die hessische Ludwigsbahn neue Actien ausgiebt, und ich fragte Herrn Joachim ob es rathsam sei für Dich davon zu nehmen, Herr Joachim meint ja nicht, in gegentheil wäre es am beßten bald die zu verkaufen die Du habest, da zu erwartten ständ, daß sie sehr verlieren würden.–

3) sind für Dich 300 Altenburg-Zeitzer Prioritäts Stamm Actien gekauft. ||

Nach der gemachten Berechnung wirst Du von mir noch 48 Thaler erhalten. Grüsse Agnes und die Kinder herzlich, ich wollte Agnes mitschreiben, bin aber zu müde, ich thue es nächstens. – Gottes beßten Segen wünscht Euch

Euere

alte Mutter Lotte.

a eingef.: lassen; b eingef.: die

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
24.06.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36531
ID
36531