Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 21. – 23. September 1872

Potsdam 21/9 72.

Mein lieber Ernst!

Durch Karl empfing ich gestern Deinen Brief, für den ich herzlich danke, mit der Einlage von 200 Thalern, die ich passend anlegen werde mit 344 Thalern, die ich am ersten October für Dich von den Coupons bekomme; und werde Dir dann seiner Zeit sagen, was gekauft ist.

Deine Versicherung, daß Du mit Deinen Lieben gesund bist, freut mich sehr; aber was hast Du denn eigentlich am Fuß gehabt? und ist es jetzt ganz gut?? – – ||

Auf Dein Herkommen freue ich mich sehr, richt es aber nur ein, daß Du nicht zu kurz bleibst; wird denn Agnes mit den Kindern dich nicht begleiten; ich habe oft rechte Sehnsucht nach Euch alle; wie gerne hätte ich mal all meine Enkel zusammen, und das kann doch nur sein, wenn Ihr herkommt, denn ich kann doch nicht alle 8 mit nach Jena bringen. – Walterchen und Lisbeth würden sich schon recht freuen mit den Kindern von Karl zusammen zu sein. Du hast doch Karlen || das Bildchen von Lisel geschickt, als das gestern der Doctor Klönne gesehn, hat er gemeint: das sei wohl Georg. –

Von Karl habe ich mir so viel, als aus ihm auszupressen war, von Euch erzählen lassen, der sagte mir auch Mutter Huschke sei unwohl gewesen, hoffentlich ist es nun besser; grüsse sie herzlich von mir. – Deine Liebe Frau wird nun wohl schon recht beschäftigt sein mit Vorbereitungen zum Umzug; ich wollt ich könnte ihr helfen. Du hast mir nicht darauf geantworttet ob ich Dir den Moselwein bestellen soll? || Das wird Zeit; zu spät darf man nicht schicken damit der Wein nicht Frost bekommt. Sonntag den 22ten An Karls Geburtstag hat Clara ihn damit überrascht daß sie des Studenten Ankunft ihm verschwiegen, und er am Morgen ihn überraschte; später kamen die beide Karls mit Clara zu mir und ich war zu Mittag bei ihnen, da wurde früh gegessen und wir fuhren um 2 Uhr nach dem Beierschen Häuschen, das kannte ich noch nicht die Fahrt war schön durch den Wildpark, wo wir ganze Heerden von Hirschen und Rehen sahen. ||

Wir dachten viel Euerer; Clara meinte, das sei so recht eine Partie für Ernst. – Zur Nachfeier von Karls Geburtstag waren alle hiesigen Häckels heutea bei mir zu Mittag, Schwester Bertha war auch gekommen. – Da wünschten wir auch recht die Jeneser zu uns. Nun das soll nicht sein. Ich muß ja schon zufrieden sein, wenn es Euch gut geht, und das gebe Gott. – Nehmt mir nur ja die Kinder jetzt recht in Acht mit Obstessen, das ist jetzt eine schlimme Jahreszeit, die kleine Bertha von Theodor Bleek ist in Bonn an der Ruhr erkrankt, || jetzt zwar auf der Besserung, ihr Zustand hat aber lange Sorge gemacht. – Karl meint Dich würden auch sehr die zwei Ausstellungen in Berlin interessieren in der Gemäldeausstellung wären mehrere schöne Bilder und die Ausstellung der Altertümer würde Dir viel Freude machen. – Wünscht Agnes, daß ich ihr die Gardinen bald schicke oder hat es Zeit bist Du sie mitnimmst? Will Agnes auch Roullos haben?

Montag. Aus vorstehendem siehst Du, daß in der letzten Zeit mein einsam, || stilles Leben äusserlich viel Abwechselung hatte; und doch habe ich für mich immer erst in der Erinnerung gelebt; unwillkürlich gingen die Tage von vorigem Jahr an mir vorüber; da bin ich noch immer dankbar, dass Häckel noch die Freude gehabt: Dich mit Frau und Kind zu sehen. Sonst aber wie viel Schweres hat dies Jahr gebracht; mir ist es als wäre alles viel länger her, es ist eine halbe Ewigkeit. – Es scheint ja, daß die Lebensverhältnisse sich meistens so gestalten, daß man im Alter hauptsächlich auf sich angewiesen ist, und so soll es wohl dienen zur stillen Einkehr in sich; und wir müssen mit Geduld aushalten so lange Gott will, und || nur den Sinn bewahren dankbar für das Gute zu sein, was das Leben noch bietet, und ich muß es ja wohl dafür sein, daß es mir bis zuletzt vergönnt war, so viel ich konnte Häckel die Beschwerden des Alters zu erleichtern; und dann danke ich dafür, daß ich so brave Kinder habe, und Enkel, die hoffentlich auch brav werden. Grüsse mir Deine liebe Frau und die beiden Putzels herzlich, und behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte.

Bitte schreibe mir bald ob ich Dir Moselwein bestellen soll, damit er nicht zu spät abgeschickt wird; seit vorgestern ist es hier schon recht kalt, ich hoffe zwar wir bekommen noch bessere Tage.

a eingef.: heute

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.09.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36486
ID
36486