Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 6. März 1872

Berlin 6/3 72

Mein lieber Herzens Ernst!

Kaum wage ich es meinem geplagten Decanatssohn noch mit meinem Schreiben lästig zu fallen, und doch bin ich der Zuversicht, daß er mir gerne ein paar Augenblicke gönnt. Sehr freut es mich, daß Du mit Deinen Lieben wohl bist, auch daß Ihr eine kleine Gesellschaft bei Euch gehabt habt. Sehne ich || mich doch immer so sehr nach Nachricht von Euch und wieder will ich Dich nicht mit Schreiben noch quällen; da bitte ich Deine Agnes sehr, daß sie Dir das abnimmt, sie braucht mir nur mit ein paar Wortten zu sagen, wie es Euch geht. –

Ich bin in den letzten Tagen auch einigemal aus gewesen: Sonntag zu Mittag bei Quinke! Georg | Quinke kommt als Professor nach Würzburg, er war hier, um eine Wohnung zu miethen. Professor Beier und Dr. Gusserow gehen nach Strasburg, Ernst Weiß nach Kiel; also wieder vielerlei Veränderung bei Deinen Bekannten. Daß Du Anfangs Aprill zu mir nach Potsdam kommen willst freut mich sehr, Du wirst zwar noch grosse Un-||ordnung finden, da ich erst den dritten ziehe, doch werden wir uns auch aussprechen können; auch kannst Du mir bei der Einrichtung mehr helfen, als hier beim Einpacken. Die nächsten Wochen werden höchst unbehaglich sein; die nächste wird gewaschen, und dann denke ich mit dem Einpacken zu beginnen. Wahrscheinlich kann das neue Mädchen schon im März kommen, die soll dann beim Packen mein Handlanger sein. ||

Du schreibst: Du würdest die Actien der Berlin Potsdam Magdeburger Eisenbahn mitbringen, die muß ich aber früher haben, weil ich sie mit meinen vorzeigen und stempeln will lassen; ich bitte Dich daher sie mir mit 5 Siegel versehn, rekommandiert durch die Post zu schicken. Lieb wäre es mir wenn ich sie bis zum 15 oder 16 haben könnte, da ich gerne die ganze Sache noch ordnen wollte, und || es so gerne am 18ten die Einzahlung machen will. Wie ich das alles eingerichtet habe, werde ich Dir mündlich mittheilen. Ich habe nun auch die neuen Coupons zu Agnes 2 Berlin Stettiner Eisenbahn Obligationen bekommen, da sprich mit Agnes, ob Du ihr diese und die von den Kurs-Kiewer, das sind noch die einzigen, die ich von Agnes Pappieren habe, || mitbringen sollst oder ob Ihr wollt, daß ich sie bei Deinen Pappieren behalten soll. Wenn Du hier bist, werden wir alles berechnen. –

In Potsdam haben die Unserigen heute eine Abendgesellschaft. – Wenn Du herkommst, a sage mir doch, wie viel Fracht Du für die Sachen von mir, hast bezahlen müssen, ich werde es Dir wiedergeben. ||

Unsere alte Weiß war sehr krank, daß sie niemand sprechen durfte; jetzt geht es ihr ein wenig besser, und ich durfte sie gestern besuchen, sie fragte sehr nach Euch. Bei ihrer Lebhaftigkeit wird es ihr schwer sich in solch langes Krankenlager zu finden. Unser Clavier habe ich an Luise Lachmann geschenkt. – Nun: gute Nacht, sei mit Frau und Kinder herzlich gegrüßt von

Deiner

Euch so herzlich liebenden

Mutter Lotte Häckel.

a gestr.: schreibe

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.03.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36456
ID
36456