Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 18. Februar 1872

Berlin 18/2 72.

Mein lieber Ernst!

Eine große Freude hast Du mir heute durch Deinen lieben Brief gemacht und ich danke Dir herzlich dafür. Wie freue ich micha, daß bei Euch, Lieben, wieder alles wohl ist. Gott erhalte Euch gesund. Daß unsere lieber Agnes sich noch matt fühlt, finde ich natürlich, da die arme Frau ja 3 Wochen hatb liegen müssen, das Bettliegen macht ja immer matt; hoffentlich fühlt sie sich bald frisch und munter, wenn sie wird täglich in die frische Luft gehn können. Du sagst mir aber gar || nicht wie Euer kleiner Famielienkreis Deinen Geburtstag verlebt hat, war Dein Söhnlein sehr zärtlich? – und das kleine Mädel munter? Dein heutiger Brief, mein Herzens Sohn, mit Deinen liebevollen Anerbietungen hat mich tief gerührt, und stimmt damit überein, was ich Dir schon bei Deiner Anwesenheit hier sagte: sollte es sein, daß ich was bedürffe oder nicht auskäme, würde ich es Dir aufrichtig sagen, und Dich darum bitten. –

Uebrigens mache Dir keine Sorge; ich sehe || zwar jetzt noch nicht klar wie sich alles gestalten wird, natürlich werdec ich mich in ein ganz neues Lebensverhältniß einrichten müssen; da kommt es mir gut zu statten, daß ich wenig Bedürfnisse habe, und ich danke es meinen Eltern, daß wir so einfach erzogen sind. Was mir am schwersten wird fallen, daß ich mich beschränken werde müssen, in Geschenken, und das war mir immer eine große Freude, und Vater ließ mich darin so ungehindert walten. Nun, das wird ja sich auch lassen machen, es können ja auch Kleinig-||keiten freuen, wenn sie aus herzlicher Liebe kommen; hat sich das nicht eben bewährt, hat sich doch mein Junge, der beweihrauchte Professor, über ein paar Birnen gefreut. Dabei fällt mir ein, Ihr habt auch wohl keine Aepfel? da könnte ich doch mal ein paar kleine Börsdörffer (denn klein und elend ist dies Jahr alles Obst) mit einpacken. Hier ist auch das Obst rahr und theuer; aber mit unter kauffe ich doch etwas für das kleine Volk in Potsdam. Wie gerne schicke ich auch etwas für das jenenser Volk. ||

Uebrigens nochmal auf das Capitel zurück zukommen: denke nicht daß ich zu karg lebe; muß ich doch schon des Mädchens wegen für gesunde Kost sorgen, freilich wenn ich für mich allein wäre, würde ich mit Kartoffeln zufrieden sein. – –

Das für Dich eingenommene Geld habe ich nicht gleich fest angelegt sondern Herrn Joachim zum verzinsen übergeben, damit man es jeden Augenblick zur Verfügung hat, ich will es mit Verwenden, wenn wie es heißt im Sommer neue Actien von der Berlin Potsdam Magdeburger Bahn ausgegeben werden. ||

Deiner lieben Schwiegermutter, die ich herzlich zu grüssen bitte, bin ich sehr dankbar, daß sie mir das untere Logie in ihrem Hause vermiethen will; aber ich glaube kaum, daß ich davon werde Gebrauch machen werden können; und schreibe dies lieber gleich, damit nicht andere abgewiesen werden. Es ist noch ganz dunkel ob und was ich für den Sommer unternehmen werden können, ehe ich mich zu etwas bestimme, muß noch vieles entschieden werden. ||

Zuerst müssen wir abwartten, ob Karl etwas für seine Gesundheit thun muß, und ob dann vielleicht Clara mit ihm geht, und ich bei den Kindern bleibe. Doch schreibe hierüber nichts, es ist darüber noch nichts ausgesprochen, und dies ist nur meine Idee. Dann wird im July das Capital bei Baumann, was ich Karl übergeben habe, gezahlt, und da es auf meinen Namen steht, werde ich wohl zugegen sein müssen. –

Noch eins liegt mir im Sinn: meine Schwester || Bleek in Bonn wünscht sehr, daß ich mit Bertha hinkomme, daß wir 3 übrig gebliebenen Schwestern noch mals zusammen wären, und da ihre Gesundheit oft Sorge macht, möchte ich es ihr nicht versagen; auch Berthas wegen, die durch Julius Tod sehr aufgeregt ist. –

Und doch muß ich abwartten, ob nach dem Umzug meine schwachen Kräfte noch ausreichen. Aber auf irgend eine Weise muß ich doch meine jenaer Kinder sehn, wonach ich mich so sehne, mein Pathchen Lisbeth kenne ich noch gar nicht. Wie immer Euere

alte Mutter Lotte. ||

Bei der kleinen Lisbeth fällt mir ein, daß ich Dir zu Neujahr, als Du hier warst, den Auftrag gab mit Agnes zu überlegen, was ich ihr zu ihrem Geburtstag schenken solle, ich wollte nicht gerne was nehmen was sie schon hat; wünscht Agnes vielleicht einen silbernen Brüher.

Im Ganzen macht uns Heinerichs Gesundheit noch immer große Sorge. || Gott gebe, daß es glücklich vorüber gehe. In diesem Jahre kommt es hier bei vielen schweren Kranken vor, daß eine Lehmung in den Gliedern sich zeigt. –

Grüsse Frau und Kinder herzlich von mir, und sage Deiner Schwiegermutter, wenn es in diesem Sommer nicht ginge und ich im nächsten noch lebe, würde ich darum bitten. Behalte lieb Deine Mutter.

a eingef.: mich; b eingef.: hat; c korr. aus: muß

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.02.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36455
ID
36455