Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 27. November 1868

Berlin d. 27/11 68.

Mein lieber Ernst!

Herzlichen Dank für Deinen heute früha erhaltenen Brief. Wie sehr freue ich mich, daß es Dir und Deiner Frau und dem lieben Walter gut geht. Gott behüte Euch ferner. Den Brief an Frau Professor Weiß habe ich gleich in ein Couvert gethan und durch die Kinder hingeschickt; den an Karl werde ich ihm morgen selbst geben, da ich ihn erwartte. – Bei uns ist es immer so kraus bunt hergegangen, und dabei sind doch meine Gedanken so viel bei Euch || gewesen, daß ich wirklich nicht weiß wann und was ich Euch geschrieben habe. Du sagst, wir hätten Dir noch nichts von Vaters Geburtstag geschrieben, grade an dem Tage war Vater sehr frisch und munter, zu Mittag waren hier: Onkel Julius mit Bertha und Adelheid, Tante Gertrude u. Tante Bertha, Heinrich u. Frau, August und Helene Jacobi, die alte Jacobi mit Lucie, Quincke und Frau, Frau Professor Weiß, der kleine Karl aus Potsdam, so daß 6 Enkel anwesend waren; kurz vor Tisch kam Karo und meldete sich an, so waren wir 23 Personen; es war sehr || heiter, besonders ausgelassen Dein Schwager Heinrich mit dem kleinen Volk; Karo brachte in Knittelversen Vaters Gesundheit aus. – Vater hat sich sehr über Deine Sendung gefreut; ich nicht weniger; der knüppelgrobe Recensent Deines Buches ist wohl der selbe aus Wien, der Dich mal so liebenswürdig beurtheilte als Du in Würzburg als Student etwas geschrieben hattest? – In dem Weihegruß von Allmers ist viel Schönes, aber auch viel Ueberschwängliches und fantastisches, beim Le-||sen fiel mir unwillkürlich ein, wie ich mal zu Basedow sagte als er in der Natur schwermte: was Sie großen Geist nennen, ist das selbe was wir Gott heissen. – Nun wir wollen dankbar alle gute Wünsche für unsern lieben Walter hin nehmen; ich fasse alles in dem Gedanken: Gott behüte ihn!

An Vaters Geburtstag war auch Deine Schwägerin Marie und ihr Mann so freundlich herzukommen; sie selbst sah sehr wohl aus. ||

Freitag den 20sten sind Herrmann und Heinnrich gekommen und Mittwoch den 24 Karl, Frau Oberheim und die Köchin, Frau Oberheim schlief bei Gertrude, Marie und Georg bei Bertha, alle anderen bei uns. Karl ging gleich Abends noch zum Empfang der Gäste zum Schleiermacherfest, hat dort viel Bekannte gefunden, und neue Bekanntschaften gemacht. Den 25sten war ich mit Karlb zur Feier in der Akademie, es war mir sehr lieb, dort zu sein, doch Du wirst darüber in den Zeitungen gelesen haben; Karl || nahm denn noch Theil am Festmahl, wovon er erst Abends 9 Uhr nach Hause kam. –

Donnerstag war Karl mit allen Kindern Frau Oberheim und Tante Bertha bei uns zu Mittag, wo eine schöne Ganz verzährt wurde, die Karl von seinem Schwager Karl bekommen hatte. –

Freitag früh ist Karl mit Frau Oberheim und der Köchin nach Potsdam gefahren, wo die Sachen sollten ausgeladen werden. Karl denkt Morgen wieder zu Mittag hier zu sein, || wozu wir auch Karo mit Gottwalt eingeladen haben, die uns noch Donnerstag gegen Abend besuchten. –

Karl denkt morgen Abend oder Montag wieder nach Potsdam zu gehn und will Herrmann und Heinnrich mit nehmen, die dann gleich die Schule besuchen sollen. Die kleinen Kinder sollen noch hier bleiben, bis sie mehr in Ordnung sind. –

Marie wird wohl bis Weihnachten bei Tante Bertha bleiben, da Anna so lange in Frankfurt bei Mutter Minchen ist, || wir wollen lieber, daß die beiden Mädels zusammen anfangen zur Schule zu gehn. Auf Dein Kommen, mein Herzens Ernst, freue ich mich sehr; freilich ist es schade, daß Agnes und Walter nicht mitkommen können; aber das sehe ich wohl ein, daß beide in dieser Jahreszeit die Reise nicht machen können, auch ist ja die Zeit zu kurz; nun so Gott will, haben wir zu Ostern die Freude. Grüsse und küsse Beide von

Deiner

alten Mutter Lotte.

a gestr.: gestern; eingef.: heute früh; b eingef.: Karl

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.11.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36378
ID
36378