Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 28. März 1877

28/3 77.

Mein lieber Herzens Sohn!

Recht sehr freue ich mich, daß es Dir auf Deiner Reise bis jetzt gut gegangen ist. Gott behüte Dich ferner, daß Du gesund zu uns heimkehrst. Sehr leid thut es mir, daß Du Dir Sorge um mich gemacht hast, weil Du keinen Brief von mir erhalten; aber es ist nicht meine Schuld, ich habe Dir geschrieben Post restante, da ich Deine Wohnung nicht wußte. Nun hatte ich oft den Wunsch etwas mit Dir schriftlich zu plaudern, mir ist es aber immer als sei mein Geschreibsel || nicht werth so weit versand zu werden.

Mit Dank erkenne ich aus Allem Deine Liebe und Fürsorge: Deine Briefe und Tagesberichte, die ich Dir sorgfältig aufhebe, machen mir viel Freude, auch für dena Beweiß Deiner großen Liebe, daß Du noch vor Deiner Abreise die Pommeranzenmarmelade mir geschickt, habe ich Dir noch nicht gedankt, daß soll hiermit geschehen, aber, mein lieber Ernst, Du mußt Dir nicht immer Sorgen machen, wenn Deine Mutter nicht so gesund ist, wie Du es ihr wünschst, bei meinem hohen Alter darf der Mensch nicht so viel erwartten. – – ||

Ich freue mich, daß Deine liebe Frau und Kinder gesund sind. Auch hier bei Karl ist alles wohl, Hermann hat gestern das Examen beim Abgang von der Gärtnerlehranstalt, gut bestanden, ist heute zu den Eltern gezogen, und wird nächsten Dienstag nach Celle gehn. Heinrich bringt auch die Ferien hier bei den Eltern zu. Marie ist konformirt, und morgen denken wir zusammen zum Abendmahl zu gehen. – –

Mein Mädchen wünschte sehr zur Konfirmation ihres Bruders Palmsonntag zu Hause zu sein, daß habe ich ihr erlaubt, und ging so lange zu Bertha von Freitag früh || bis gestern Abend, wo ich mit Anna wieder heimkam. Theodor Bleek war in Geschäften in Berlin und wohnte bei Heinrich. Theodor zu Ehren waren Freitag und Sonntag Mittagsgäste bei Tante Bertha. – Theodor theilte mir und Bertha noch Briefe aus Amerika mit, was uns sehr lieb war, noch von Phillieb und ihrem dortigen Leben zu hören. Hermanns Hochzeit ist am 8ten Februar gewesen.

Dabei fällt mir ein, ich weiß nicht ob ich es Dir schon geschrieben habe, daß Ernst Naumann Bräutigam ist, darüber || freue ich mich sehr. Seine Schwester Marie Tempeltey ist gestorben, also von ihren Leiden erlöst. –

Freitag früh ist auch Max Mollard gestorben, für ihn eine große Wohlthat, da doch keine Besserung zu erwartten war.

29. Freitag brachteb ich gleich nach meiner Ankunft unsere fälligen Coupons zu H. Joachim, und holte besagte Coupons und angekaufte Pappiere ab. Das Geld werde ich erst im April erheben, habe davon nichts angelegt, da wie ich schon hörte wohl im Aprill Zubusse zur Westphalia wird || zu leisten sein, können wir gleich die disponibelen Gelder dazu verwenden; und kann ichc Dir dafür von meinen Pappieren geben, damit wir unsere Berechnung ausgleichen können.

Eben, als ich beim Schreiben bin, kommt aus Dortmund die Anzeige, daß am 4ten Aprill Generalversammlung der Westphalia sein wird. Wie Theodor an Karl gesagt hat, so müssen die Zinsen der Grund-Schuldbriefe jetzt in || Dortmund erhoben werden; würden aber vom 1sten Aprill an bis zur festgesetzten Einzahlung verzinst werden. Karl wird also unsere fälligen Coupons der Grund Schuld Briefe nach Dortmund schicken, und damit wird d wahrscheinlich Deine Zubuße gedeckt sein. Doch ich will Dich im schönen Süden nicht quälen mit den Dir so unangenehmen Geldangelegenheiten, und doch muß es besorgt werden, was ja jetzt gerne Deine alte Mutter thut; aber dann || vielleicht übt sich Deine Frau darin. –

Karl, der eben bei mir war, grüßt Dich herzlich, er habe Dir geschrieben, und erwartte Antwort. –

Tante Bertha hat mir auch viel Grüsse an Dich aufgetragen.

Nun, mein lieber Herzens Ernst, für heute sagt Dire Lebewohl

Deine

alte Mutter

Lotte Häckel

Gott behüte Dich! und sei nicht waghalsig, wie Duf mit unter bei Deinen früheren Reisen warst. –

a gestr.: einen; eingef.: für den; b gestr.: ging; eingef.: brachte; c eingef.: ich; d gestr.: Deine; e korr. aus: Dich; f gestr.: das; eingef.: Du

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.03.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 36337
ID
36337