Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 11. Juni 1870

Berlin 11/6 70.

Mein lieber Ernst!

Dein letzter Brief, wofür ich herzlich danke, kam grade Montag früh an, so daß ich die Einlage an Clara geben konnte. Unsere Potsdammer waren alle sehr wohl und munter, sie waren erst im Aquarium, was allen viel Freude gemacht; der kleine Julius hatte beim Schimpanse gesagt: das ist doch ein sehr kleiner Mensch. Als sie es mir erzählten, dachte ich gleich, das wird Ernst Spaß machen. ||

Bis 7 Uhr blieben sie hier. Wie gerne hätte ich Dich mit Frau und Kind auch bei uns gehabt. – Ach, und wie fehlte mir in der Kinderschaar unser armer, lieber Karl. Nun, Gott helfe auch dies ertragen. –

Uebrigens war ein Brief von ihm an die Mutter gekommen, der bei weitem besser war, als der erste. –

So sehr Du, mein lieber Ernst, uns auch im Feste fehltest, so || find ich es doch ganz in der Ordnung, daß Du Agnes nicht verlassen wolltest. Die arme kleine Frau soll nur Courage haben; es wird ihr hoffentlich bald besser; wie gerne möchte ich ihr diese Zeit etwas erleichtern; ich schicke für sie hierbei kandierte Pommeranzenschaale, vielleicht thut ihr die gut. Wenn sie mehr oder sonst was haben will, so schreibe es ja; – mir macht es ja Freude, wenn ich ihr etwas Erleichterung verschaffen kann. Agnes beßte Erleichte-||rung wird es wohl sein, wenn sie Euern lieben Walter an sieht! – –

Daß die Eisenbahn bei Euch gebaut werden soll, freut mich. Hoffentlich denkst Du nicht mehr dran in diesem Jahre eine größere Reise zu machen, da würdest Du Deiner Frau doch zu sehr fehlen. Ich denke eher, daß Ihr alle 3 zusammen in den großen Ferien bei uns sein werdet. – ||

Von Tante Bertha habe ich aus Bonn einen Brief gehabt, sie ist sehr befriedigt von ihrer Reise. –

Häckels Husten ist nicht mehr ganz so schlimm; aber loos sind wir ihn beide immer noch nicht. –

Clärchen Jacobi war auch krank, ist aber auf der Besserung; Mutter Minchen ist auch krank in Ziegenort, Bertha hatte sie besucht, und da sie sie gar nicht recht gefunden, so hatte sie sie mit zu sich genommen. ||

Ich weiß nicht ob ich es Dir schon geschrieben habe, daß Hulda zum 2ten July abzieht, ich habe mir die Minna gemiethet die bei Tante Gertrude war. Da sie erst Kochen lernen muß etc., werde ich wohl etwas mühsame Zeit vor mir haben; doch das Mädchen ist willig, und da wird es gehn; mir wird jetzt alles sehr schwer, und ich denke, da ist es mir gesund, wenn ich manches selbst thun muß. Dir, Agnes, und Putchen den schönsten Gruß von Deiner Mutter Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.06.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36326
ID
36326