Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 25. November 1865

Berlin den 25sten | November 65.

Mein lieber Ernst!

Eine sehr traurige Veranlassung habe ich heute Dir zu schreiben. Wir haben alle einen schweren Verlust heute erlitten: unser lieber, verehrter Freund Barth ist gestorben. Wie viel, mein Herzens Ernst, muß ich an Dich denken, er hatte Dich so lieb, Du verliehrst wieder einen treuen Freund. Die Nachricht trifft Dich so unerwarttet, wie sie auch uns allen unerwarttet gekommen ist. – Barth war am Mittwoch zu Mittaga noch bei uns, und sehr heiter und frisch. || Seine Wirthschafterin schickte heute Mittag her, ich möchte doch hin kommen; da fand ich ihn ohne Besinnung, und da sein Arzt nicht da war, sagte ich, die Leute sollten nur den ersten beßten Arzt von der Strasse rufen, und so waren dann auch bald 3 da, die aber nichts mehr helfen konnten. Auch die Weiß war da; sie fuhr gleich nach dem Telegraphenbureau und ließ an Barths Schwester nach Hamburg, und an seinen || Schwager in Dresden telegraphieren, daß Barth schwer erkrankt sei. – Vater habe ich erst nach seinem Nachmittagsschläfchen die Trauerbothschaft mit getheilt. Wie immer bei solchen Gelegenheiten war sein Schmerz sehr heftig. – Jetzt eben bin ich mit ihm bei der Weiß gewesen, die in Barths Wohnung ist, und bis Ankunft der Schwester dort bleiben will. – Die arme Schwester! ||

Die Weiß läßt Dich herzlich grüssen. –

So kommt der Ernst des Lebens oft schnell und unerwarttet; und wir werden bei solchen Ereignissen immer gemahnt an die Unsterblichkeit; das höchste und beßte im Menschen ist unvergänglich. Unser lieber Barth lag so ruhig, es war ein Friede Gottes über ihn ausgebreitet. –

Leb wohl, mein lieber Ernst! und schreibe uns bald mal. – Mit der innigsten Liebe

Deine

Mutter Lotte.

a eingef.: zu Mittag

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.11.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36280
ID
36280