Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 27. Februar 1866

Berlin d. 27sten | Februar 66.

Mein lieber Ernst!

Erst heute komme ich dazu, Dir zu danken für Deinen lieben, lieben Brief; und doch habe ich es so oft in Gedanken gethan; es thut mir so wohl, wenn Du Dich gegen uns so über Dein Inneres aussprichst; und wenn ich es Dir auch nicht so recht sagen kann, so glaube mir, wir verstehen uns recht. Wohl ist Dir eine schwere Lebensschule geworden, und mögest Du immer siegreich im Kampfe bestehn. Eina großes || Glück für Dich, daß Du einen Lebensberuf hast, dem Du mit ganzer Seele ergeben bist, und in dessen Erfüllung Du so b viel Befriedigung findest. So wandle nur muthig weiter. Daß Du am 16ten eine Wandrung in Gottes schöner Natur machen würdest, hatte ich mir wohl gedacht, und deshalb erfreute mich an dem Tage so das schöne Wetter, mir war es sei die milde Luft ein heilender Balsam auf so viel Schmerz || und leid; weiß ich doch wie wohlthätig immer die Natur auf Dich wirkt. –

Wir waren viel mit Dir. Daß der Professor Gerhard ein Söhnchen bekommen hat, freut mich, wenn Du ihn siehst, sage ihm meinen herzlichen Glückwunsch. –

Vorgestern, Sonntag, sind wir in Potsdam gewesen zu Onkel Julius Geburtstag, Georg Reimer war auch dort, und ich habe ihm von dem Geschenk des Franzosen erzählt, er freute sich und grüßt Dich herzlich. Tante Adelheid ist in Sobernheim, wo sie Marie in Wochen pflegt. – ||

Onkel Julius war munter; Gertrud machte die Wirthin. Bertha Pine ist noch immer krank, Sonntag ging es ihr leidlich, und ich habe sie einen Augenblick gesehn. – Leider geht es auch hier mit unserer Bertha wieder weniger gut; einige Tage war es doch so, daß man orndlich wieder Muth hatte; jetzt sind wieder Blutegel, Spanischefliegen etc an der Tagesordnung. Der Bruder der alten Frau Jacobi, der Oberpräsident Eichmannc hat seine Frau verlohren, sie ist an einer Lungenentzündung gestorben. ||

Den Brief an Braun habe ich gleich hingeschickt, und ließ dabei nach ihrem Befinden mich erkundigen; Frau Braun ließ sagen: sie sei wohl, er litt aber an einer Erkältung. Aus Bonn hatte ich heute Briefe: Auguste hatte vom Cap keine gute Nachricht, Wilhelms Frau war am 5ten December von einem todten Knaben entbunden; doch soll es der Frau den Umständen nach gut gehn. Die Präsidentin von Brauchitsch geborene Emilie von Braunschweig in Stettin ist auch gestorben. ||

Hast Du denn aus der Zeitung gesehn, daß von dem Reisenden, Herrn von der Decken keine gute Nachrichten sind. Das hätte Barth gewiß sehr betrübt, wenn er das noch erlebt hätte. – –

Die Weiß läßt Dich auch herzlich grüssen, sie ist gesund aber oft sehr verstimmt; sie hatte auch von Ernst Weiß einen Brief, dem es wohl ging, er habe auch geschrieben wie sehr er sich freue über Deine guten Erfolge in der gelehrten Welt. ||

Vorgestern Abend war Helehne Jacobi bei uns, die war auch wieder unwohl gewesen; jetzt aber besser; klein Annchen ist wieder ganz gut, es sei rührend gewesen, wie das Kind gejauchzt habe, als Quincke den Verband abgenommen habe.

Dienstag Heute bin ich mit Quinckes Erlaubniß ein halbes Stündchen bei Bertha gewesen, sie hatte es gewünscht. Bertha ist noch sehr schwach und angegriffen, doch hatte sie die Nacht etwas geschlaffen; auch findet sich etwas Appetiet. Sie läßt Dich || schön grüssen.

Als Du hier warst, sah es in Potsdam doch auch nicht gut aus; da geht es im Ganzen wieder besser, wenigstens ist Gertrudchen wieder ganz wohl, Bertha allerdings noch immer leident. –

Eben bekomme ich von Reimer Deinen Brief geschickt, die Einlage an Professor Virchow habe ich gleich geschickt, an Braun werde ich morgen schicken. Vater will Dir morgen früh schreiben, daher schicke ich heute noch nicht ab. Gute Nacht mein Herzens Ernst von

Deiner

Mutter Lotte

a korr. aus: Einen; b gestr.: se; c eingef.: der Oberpräsident Eichmann

Brief Metadaten

ID
36248
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Preußen
Datierung
27.02.1866
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,3 x 23,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36248
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Berlin; 27.02.1866; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36248