Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 8. Oktober [1866]

Berlin d. 8ten October

Mein lieber Herzens Ernst!

Hoffentlich treffen diese Zeilen Dich wohl in Bonn an, wenigstens besser, als Du Jena verlassen hast. Gott sei Dank, daß das Buch fertig ist, nun bitte ich Dich aber dringend nie wieder auf solche Weise zu arbeiten, das hat mir zu viel Kummer gemacht, und ich wünsche von Herzen, daß Du Dich bald von der Anstrengung erholst; dazu gehört aber auch, daß Du || auf der Reise Dich nicht als Packesel betrachten sollst, und so unsinnige Lasten schleppst; nimm zum Tragen hübsch jemand an; ich will es gerne bezahlen; weil Du sonst Deiner Gesundheit schadest. Wohin wirst Du nun gehn? Du kannst denken, wie mich diese Frage beschäftigt. Wo Du auch hin gehst, denke an uns, sei nicht tollkühn, Du weißt || ja was Du uns bist. Nach den gestern erhaltenen Zeilen von Dir glaubten wir bestimmt: Bertha würde erst heute oder morgen Abend kommen, und da wollten denn auch heute Hulda mit Friedrich hingehn, wie sie auch Sonnabend Abend bis nach 11 Uhr auf dem Bahnhof Bertha erwarttet hatten. Als nun gestern alles sich zu Bette legte, blieb ich auf, in der Möglichkeit, daß Bertha doch kommen könnte, || und nach 11 kam sie auch glücklich in der Droschke an; ich rief ihr zu, daß ich Hulda schicken wolle ihr zu helfen, der ich schon vorher verkündigt hatte: wenn Bertha kommt, hol ich Dich aus dem Bette. Bertha war bei sehr guter Laune und ist heute früh um 6 Uhr mit der Droschke hier abgefahren. – – Ich hatte grade mehreres nach Landsberg zu schicken, da habe ich heute ein Packet gemacht und Deine Bücher zugepackt zur Eisenbahn. ||

Morgen wird unser kleiner Georg 2 Jahr alt; die armen, armen Kinder. Von Karl hatte ich vorgestern einen Brief, darnach waren sie alle wohl. Tante Bertha ist seit Sonnabend in Potsdam, hoffentlich thut ihr der Auffenthalt gut bei dem schönen Wetter. –

Schreibe mir nur ja, wie Du Tante Auguste gefunden hast, und ihre Kinder; grüsse alle herzlich von uns. Hast Du auch Nachricht von Gegenbauer? siehst Du ihn auf Deiner Reise, so grüsse ihn von mir. ||

Am 1sten October habe ich für Dich eingenommen 26 Thaler für die Coupons der Cöln Mindener Eisenbahn. Wenn Du weißt, was Du für uns ausgelegt hast, so schreibe es mir, damit ich es notiere, und wir es dann später berechnen können? –

Ich habe heute früh gleich das an Georg Reimer geschickt, was Bertha für ihn mitgebracht hat, und habe dabei sagen lassen, Du würdest ihm von Bonn aus schreiben. Sonnabend Mittag || war Frau Professor Weiß bei uns, die Dich herzlich a grüßen läßt. –

Schreibe uns nur ja immer recht aufrichtig, wie es Dir geht, und so oft Du kannst. Gott sei mit Dir, mein geliebter Ernst, er behüte Dich.

Vater grüßt Dich herzlich, er meint er habe Dir heute nichts zu schreiben; Du könntest jetzt mehr berichten. –

Mit der innigsten Liebe umarmt Dich

Deine

Mutter Lotte.

a gestr.: grü

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.10.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36213
ID
36213