Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 15. – 17. Mai 1856

Berlin d. 15ten

Mai 1856.

Mein lieber Herzens Ernst!

Sonnabend kam Dein so sehnlich erwartteter Brief; recht herzlich freue ich mich, daß Du gesund bist, und nun auch die erste und hoffendlich die schwerste Zeit Deines neuen Lebensverhältniß überstanden hast; ich denke es wird Dir immer leichter werden, und Du freust Dich mit mir, daß wir uns, so Gott will, den Herbst wieder haben. In den Feiertagen wurde mir es recht schwer, Dich zu entbehren und ich bin recht begierig zu hören, wie Du sie verlebt hast.||

Wir haben Deiner vielfach gedacht, und Dich zu uns gewünscht. Am Sonnabend vor dem Feste kam die junge Häckelei aus Freienwalde hier an; und ich nahm mir vor, Dir wenigstens jeden Tag kurz zu melden, wie wir gelebt, damit Du es in der Erinnerung mit uns durchleben könntest, aber ich war immer so müde, daß ich nicht zum Schreiben kommen konnte; nun will ich aber versuchen, es noch nachzuholen, so weit mein Gedächniß reicht. Sonnabend Nachmittag gegen || 5 Uhr empfing ich sie mit Kaffe. (Hermine, Karoline und die beiden Jungen schlafen in der Logirstube, Karl in der Schrankkammer und die Karo in Deiner Stube). Abends war das Gustav Adolphs Koncert, Elias von Mendelson wurde gegeben, Häckel, Karl und die Karo gingen hin. Sonntag zu Mittag waren Julius, Adelheid ihre 5 Kinder und Tante Gertrude bei uns; Abends waren wir bei Karl Reimer, dessen Schwiegersohn Professor Momsen aus Bresselau mit Frau und Kind auch hier ist. Montag waren wir zu Mittag bei Onkel Julius; Nachmittag kam zum Kaffee auch noch die ganze Familie von Karl Reimer. Abends waren wir zu Hause. ||

Zur Kirche bin ich gar nicht gekommen. Dienstag Abend waren wir bei Jonas, wo der Geburtstag von Diedrich Reimer gefeiert wurde. Mutter Reimer ist nach Görlitz zu Hermann. Mittwoch Nachmittag waren wir mit den Kindern im Zoologischen Garten, der kleine Karl freute sich sehr über alle Thiere, und erkannte die meisten und sagte immer: wie in dein Bilderbuch, er redet sich jetzt immer mit Du an. Bei dieser Wanderung habe ich am meisten an Dich gedacht und Dich zu uns gewünscht. Abends war Marie v. Grolman bei uns (die Mutter kam nicht) Julius Adelheid und Tante Gertrude. – ||

16/5. Guten Morgen, mein Herzens Sohn. Gestern Abend wurde mein Schreiben an Dich unterbrochen, weil alle sich um den Theetisch sammelten, doch waren wir mit Dir beschäftigt, es wurde nach dem Essen, wie das gewöhnlich geschieht, ein Stück Deiner Reisebeschreibung vorgelesen, gestern Abend waren wir mit Dir auf dem Pasterzen Glätscher etc. Gestern zu Mittag waren wir mit Richters bei Tante Bertha; Nachmittag gingen Hermine und ich mit den Kindern zu Frau v. Unzer und dann noch einen kleinen Spaziergang, der kleine Karl wollte durchaus in einer Droschke fahren. ||

Heute Abend sollen wir bei Tante Gertrude sein. –

Unsere Briefe haben sich wohl gekreuzt, da Du nichts schreibst, in dem letzten hatte ich Dir den Abgang Deiner Sachen gemeldet, die Du nun hoffentlich bekommen hast. –

Karl wird Sonnabend wieder nach Freienwalde [fahren], Hermine bleibt mit den Kindern noch 8 Tage. Die kleinen Dinger machen uns viel Spaß, Karlchen schwatzt den ganzen Tag, klein Hermännchen ist sehr lieb und gut, sieht aber elend aus; ich hoffe es kommt nur vom Zahnen, er ist heiter und zufrieden, scheint aber sehr matt zu sein; rührend ist es wie zärtlich der kleine Karl gegen seine Eltern ist. –

Sonnabend früh!

Gestern Nachmittag waren wir bei Richters in Mariendorf, das Wetter wurde aber so schlecht, daß wir Kälte, Wind und Regen bei der Heimfahrt viel zu leiden hatten. Abends waren wir bei Tante Gertrude, wo ausser uns noch Brunnemanns und Onkel Julius mit Frau waren. – Tante Bertha geht es leidlich, sie liegt doch wieder auf dem Sopha. – Nun leb wohl mein Herzens Sohn und denke mitunter

an Deine alte Mutter.

Ich gebe noch immer die Hoffnung nicht auf, daß du uns noch nach Aurich wirst nachkommen können.a

a Briefschluss auf S. 2 von Br. A 36135: Sonnabend früh! … nachkommen können.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.05.1856
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36134
ID
36134