Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 29. November – 2. Dezember 1852

Berlin 29/11 52.

Mein lieber Ernst!

In diesen Tagen habe ich so besonders viel an Dich gedacht, daß es mir Bedürfniß ist, einen Brief an Dich anzufangen noch ehe wir wieder Nachricht von Dir haben.

Eben habe ich alles fertig gemacht, und erwartte nun Deine Freunde, die wir zu heute Abend eingeladen haben; mir ist es zwar wehmüthig, daß ich Dich nicht hier habe, und doch macht es mir Freude, es ist mir als erzeigte ich Dir meine Liebe. Einge-||laden sind: Hauchekorne, Althans, v. Witchenstein, Wilde, Regenbrecht, Max Henkel und die 3 Neffen; doch nun für heute gute Nacht, ich muß noch die Bole zurecht machen; morgen schreibe ich mehr. – –

Donnerstag den 2ten December. Erst heute, mein lieber Herzens Ernst, komme ich zum schreiben; und Dir zu berichten wie Montag der Abend vergangen. Deine Freunde kamen alle, und waren heiter; natürlich sprachen wir viel von Dir, alle || trugen mir Grüsse an Dich auf, und v. Witchenstein wollte Dir selbst schreiben. – Ich hatte den Abend den großen Tisch in die große Stube getragen, wir tranken daran gleich Thee, wozu ich Zwieback und Kuchen gab; dann zum Abendbrot hatte ich Haasenbraten mit Fischsaalat, gekochte Pflaumen, Aepfelchen in Wein gekocht und eingemachte Kirschen; dann eine tüchtige Schüssel mit Baumkuchen (den Rest von Vaters Geburtstag) dazu hatte ich eine Bohle || gemacht, die Beifall hatte; und gab noch Birnen; alles mundete und sie schienen vergnügt; ich dachte viel an meinen Herzens Jungen. – Deine frischen Grüsse habe ich Deinen Freunden nicht bringen können, da Dein lieber Brief erst Dienstag früh ankam, indeß habe ich sie von Dir gegrüßt, und ihnen gesagt, daß Du geschrieben habest, ich solle sie einladen. – Max Henkel sprach doch etwas, meinte aber er möchte auf keiner anderen Universität studiren als in Berlin!!! ||

Daß Du, mein lieber Ernst, an Deines Vaters Geburtstag so heiter gewesen bist, freut mich; aber mein lieber Ernst, so viel Wein mußt Du nie wieder auf einmal trinken; wenn man auch eben nicht davon betrunken wird, so schadet es doch der Gesundheit, und kann Dein Knieübel sehr verschlimmern. Ich habe nichts dagegen wenn Du mitunter ein paar Gläser Wein trinkst, im Gegentheil es ist mir unbedingt lieber als wenn Du Bier trinkst; aber nie viel || lieber öfter, so ist das Unsinn, daß Du deshalb Sonntags den dort gewöhnlich von den Gästen getrunkenen Wein nicht trinken willst, weil Du vorher so viel getrunken hast. Ich muß Dich um so dringender bitten, ja auf Deiner Hut zu sein; weil ich den Gedanken immer nicht loos werden kann, daß mein verstorbener geliebter Bruder seiner Gesundheit dadurch geschadet hat; er war so kräftig als er das älterliche Haus || verließ. Er hat sich gewiß nie betrunken also nach Deiner Meinung nicht das Maaß überschritten, und doch hat es ihm sicher geschadet. Also, mein lieber Ernst, wenn Du es von meiner Seite übertriebene Aengstlichkeit nennen willst, dagegen habe ich nichts; nur thue es mir zu Liebe; und trinke nie viel Wein auf einmal. Ich hoffe ja so sehr meinen alten Jungen nach dieser Trennung körperlich und || geistig frisch und gesund in meine Arme zu schliessen. Daß Du Dich beim Professor Kölliker nicht zum Zeichnen gemeldet hast, ist unrecht gegen ihn und gegen Dich, er hätte die Zeichnungen besser bekommen und Du wärst dadurch mit ihm näher bekannt geworden. Wenn sich Dir so etwas wieder bietet, dann sei nicht so blöde. – Montag früh ana Vaters Geburtstag haben wir die letzte Nachricht aus Ziegenrück gehabt. Hermine war wohl, Karl hatte Zahnschmerz. ||

Nun leb wohl, mein lieber Junge! Gott behüte Dich, sei heiter und frisch und denke an Deine Mutterb

a korr. aus: kam; b Schlussformel auf S. 2 von Br. 115: Nun leb wohl … an Deine Mutter

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.12.1852
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36119
ID
36119