Haeckel, Carl Gottlob

Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 30. April 1855

Berlin 30 Aprill 55.

Lieber Ernst!

Heute Vormittag erhielten wir Deinen Brief, der uns in sehr ernster Stimmung traf, da wir den Tod des Grosvaters erwarteten. Dieser ist [an] diesem Nachmittag gegen 6 Uhr eingetreten. Wir hatten uns versammelt, a standen um sein Sterbebette und haben ihn einschlummern gesehen. Quinke hatte uns schon gestern gesagt, daß er etwa noch 24 Stunden zu leben habe. Das Blutgeschwür hat ihm die Kräfte entzogen, er hat in den letzten 8 Tagen nur sehr wenig zu sich genommen. Der Athem wurde immer kürzer und so entschlief er, anscheinlich ohne Schmerzen, aber der Anblik war doch ergreifend. Noch am Dienstag sprach er, von mir, Julius und Christian hatte er schon gestern vor 8 Tagen Abschied genommen. b „Dieses Mahl geht es mit mir zu Ende“, sagte er, „aber die Stunde kann ich noch nicht bestimmen.“ Die Sterbestunde eines tugendhaften Menschen hat doch etwas Ergreifendes. Wohl uns, wenn wir so dahin scheiden können, wie der liebe Grosvater. Wir sind alle aufs tiefste bewegt. ||

Es freut uns, daß Du glüklich und wohl angekommen bist. Die Sachen sind schon über 8 Tage fortc und entweder in Leipzig oder noch wahrscheinlicher in Hof liegen geblieben. Wenn Du sie nicht bald erhältst (vielleicht kannst Du auf dem dortigen Bahnhof die Sache in Bewegung bringen), so schreibe uns. Dann wollen wir von hier aus urgiren. Für heute genug.

Dein Dich liebender Alter

Hkl

Mutter ist wohl und grüßt Dich aufs herzlichste.

a gestr.: und; b gestr.: Ich; c eingef.: fort

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
30.04.1855
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36002
ID
36002