Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Warmbrunn, 2. September 1867

Warmbrunn d. 2ten

September 1867.

Liebe Kinder!

Als wir vorgestern Abend von Hirschberg kamen, wo wir Adolph Schuberts Geburtstag mit gefeiert haben, fanden wir den von Euch so sehnlich erwartteten Brief, und freuten uns sehr über die gute Nachrichten, daß es unserm lieben Paar bis jetzt so gut geht. Gott sei ferner mit Euch! und geniesset recht ungestört das Schöne was Euch die Reise bittet [!]; und Dich, mein lieber Ernst bitte ich noch besonders: sei || nicht waghalsig! – –

Uns ist es auch bis jetzt gut gegangen; doch ehe ich von hier berichte, muß ich nach Jena zurückgehn, da Ihr ja noch nichts von uns gehört habt. –

Bald nach Eurer Abreise kam ein Telegraphischer Glückwunsch aus Hirschberg von der Famielie Lampert. Auch von dort später ein Brief mit einer Kiste von Friedrich Lampert. Die Kiste habe ich uneröffnet in Deine Stube stellen lassen; den Brief mit dem thelegraphischen Glückwunsch habe ich in den kleinen Schub des Toulettentischchens ge-||legt, dessen Schlüssel Mutter Huschke hat, wir haben darin die übrigen Schlüssel eingeschlossen. – Mit derselben Post kam auch eine Kiste an Agnes mit einer Bole von Herrn Göttling an; die will Mutter Huschke auch uneröffnet zu der ersten stellen. Es scheint mir als habet Ihr 2 Bolen aufeinmal bekommen, deutet das darauf, daß Ihr öfter Bole bereiten wollt, dann muß ich wohl für Moselwein sorgen. –

Nach Eurer Abreise blieben wir noch etwas mit den Verwandten zusammen. Vater wollte || es ohne Euch gar nicht mehr in Jena gefallen; und doch gab es Mittwoch noch genug zu Packen und zu räumen. Deine Mutter, liebe Agnes, war so freundlich und kam noch zu mir, wo ich ihr die Schlüssel etc übergab. Zu meiner Freude fand ich Deine liebe Mutter recht wohl. –

Abends 9 Uhr verliessen wir Jena, brauchten in Apolda nicht gar lange auf den Zug zu wartten; die Nacht verging schnell und griff Häckel weniger an, als ich fürchtete. In Leipzig || war der lange Weg bis zum andern Bahnhof sehr unangenehm; sonst ging alles gut, obgleich wir von Jena bis hier 7 verschiedene Wagen hatten. – –

Mit unserer Wohnung hier sind wir sehr zufrieden, und freuen uns des schönen Wetters, besonders für unsere reisenden Kinder. Von Karl hatten wir Nachricht aus so Sobernheim, wo er mit Tante Bertha zusammengetroffen ist, wie freute uns, daß er Euch bei Eisenach noch flüchtig gesprochen hatte, das war das erste Lebenszeichen von Euch. – ||

Das Baden bekommt mir bis jetzt recht gut; früh um 5 Uhr bade ich, lege mich nach Quinkes Verordnung dann noch ein Stündchen hin. –

Täglich mache ich mir Bewegung, wir sind mehrmals gefahren, und ich kann auch zu Fuß schon weitere Wege unternehmen. –

Wahrscheinlich wird Tante Bertha mit den beiden Karls jetzt in Bonn sein, wohin ich gestern Deinen Brief geschickt habe. Unser armer Karl, wie viel denke ich an ihn und seine 8 Kinder, auch ist es jetzt so traurig, wie fehlt da die liebe Herrmine. ||

Der Ober Präsident Pinder ist 62 Jahre alt am Schlagfluß gestorben, das wird unsere Freundin Weiß sehr betrüben; ich habe ihr als ich aus der Zeitung den Tod sah, gleich nach Misdroy geschrieben. – Im Frühjahr war Pinder mehrere Wochen in Berlin mit seiner Frau, bei deren Schwester sie wohnten; er war fast täglich bei der Weiß gewesen, worüber sie sehr erfreut war; und sich noch so darüber aussprach wie lieb ihr Pinder sei. − ||

Nun, für heute genug; haltet Euch gesund und gebt bald Nachricht von Euch, wornach sich immer sehnt

Eure

alte Mutter

Lotte.

Ich habe mir gedacht, bei dem Regenwetter was Euch getroffen hat, wird Ernst wohl an seiner Reisebeschreibung gearbeitet haben.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.09.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35390
ID
35390