Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 16. Dezember 1874

Potsdam 16 Dec. 74.

Lieber Bruder!

Du wünschest Auskunft über die Westphalia. Meine Ansicht über die Sicherheit der Grundschuldbriefe hat sich nicht geändert; wohl aber halte ich, da die Gesellschaft bei der jetzigen Geldklemme die schwer veräußerlichen GrundSchuldbriefe nicht gut unterbringen kann, das Angebot zur neuen Betheiligung zum Pari-Course für unangemessen. Ich sprach darüber mit Joachim, der meinte, mit 90 % seien sie bei dem jetzigen Geldmarkt ausreichend bezahlt. Ich habe der Direktion geschrieben, ich könnte mich nicht betheiligen, u. glaubte auch nicht daß unsre Familie es unter so ungünstigen Bedingungen thun werde. Sie müßten den Aktionären doch dieselben Bedingungen stellen, unter denen sie die Anleihe beim Banquier unterbrächten. Nun wollen wir abwarten, was die Direktion dazu sagen wird. Ich legte selbst gern noch in diesen Papieren an, aber ich meine, man muß einen Theil seines Vermögens auch auf jeden Fall leicht flüssig machen können; das ist bei den Grund Schuld Briefenefen nicht der Fall.

Diesen letztrena Grundsatz wirst Du meines Erachtens auch festhalten können und deshalb würde ich auch an Deiner Stelle || höchstens 1/3 meines Vermögens in Grund Schuld Briefen anlegen.

Für den reichen Weihnachten, den Du mir durch Mutter gegeben, danke ich Dir herzlich. Das Geschenk kommt mir jetzt doppelt zu Passe, da die Aussichten für das nächste Jahr nicht sonderlich sind. Die Bergwerkserträge werden bedeutend geringer sein, u. in Folge dessen auch der Zuschuß von Mutter Minchen schmaler als sonst. Dazu sind verschiedene Mehrausgaben; an Steuern, u. für die Kinder, sicher bevorstehend.

Daß Ihr den Brand der Schneidemühle glücklich überstanden habt, dazu gratulire ich Euch. Du bist doch mit deinem Mobiliar versichert? Sonst thue es so bald wie möglich. – Wirst Du Dich etwa im Fest mal sehen lassen? –

Unser Mutterchen besucht uns täglich. Es geht in alter Weise, nur klagt sie öfters über die Augen. Ebmeyer hat sie genau untersucht und hält es für Altersschwäche. Ebmeyer gilt für einen tüchtigen Augenarzt; da wird denn wohl weiter nichts zu machen sein. Eine andre Brille soll sich Mutter kaufen und dafür werde ich sorgen.

Herzliche Grüße von Haus zu Haus

Dein | treuer | Bruder.

a eingef.: letztren

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
16.12.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35064
ID
35064