Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 12. November 1871

Potsdam den 12 Novbr | 1871.

Lieber Ernst!

Du erhältst anbei zwei Bescheinigungen um solche mit Datum u. Unterschrift Deinerseits zu versehen. Die eine davon, die das Testament betreffende, ist von einem ein öffentliches Siegel führenden Beamten in derselben Weise zu beglaubigen, wie meine Unterschrift. Beide schicke dann baldigst direkt an Mutter zurück.

Die letztre war dieser Tage, am Freitag Vormittag, hier, um sich ein Quartier in der Nähe der Garnisonkirche zu besehen, welches mir für sie geeignet schien. Da Clara nicht auf dem Zuge war und – wie auch noch heute – im Bett lag, so ging ich mit Mutter allein hin. Es schien ihr zu gefallen und wir schlossen sofort den Miethvertrag ab. Jedoch schon über Mittag wurde es || Muttern bedenklich, ob sie auch mit all ihren Sachen darin werde Platz finden können, und lösten wir die Zusage noch am Nachmittag mit Bewilligung des Wirths wieder auf. Möglich, daß Mutter nun zunächst unser Miethsquartier, welches wir zum 1 April gemiethet haben, bezieht. Was aus uns wird, ist noch ungewiß. Der Kauf über das Haus in der Kietzstraße, von dem bei Deinem Hiersein die Rede war, ist nun doch noch zu Stande gekommen (bis auf die noch fehlende Genehmigung des Gerichts u. einer erwachten Mitverkäuferin, die jedoch wahrscheinlich beide zustimmen werden). Der Preis, 18.000 rℓ ist hoch aber doch angemessen, nach allem was wir sonst gesehen haben. Aber wir werden noch einen Thorwegsraum überbauen u. dadurch unten, wo wir hinziehen, auch noch 2 Stuben gewinnen; dieser Bau soll im Frühjahr sofort angegriffen und muß erst vollendet werden, bevor wir einziehen können. Möglich daß wir bis dahin noch || im alten Quartier bleiben, oder das Miethsquartier in der Breitenstraße beziehen. Es hat uns viel Ueberlegung und Besinnen gekostet, bis wir den Schritt thaten. Wir glauben und hoffen, das Richtige getroffen zu haben und für uns und die Kinder ein passendes Heimwesen erworben zu haben.

Im Hause geht es bei uns nur leidlich. Bei Clara kommt nun all das Überstandene in seinen Nachwirkungen; der Doktor meint, es seien vorzugsweise die Nerven, doch fühlt sie sich im ganzen Körper zerschlagen; einige Stunden ist sie täglich auf. Marie die wegen eines gastrischen Zustandes auch 8 Tage aus der Schule bleiben mußte, ist wieder wohl. Ich bin die vergangene Woche wieder in voller Thätigkeit, auch mit den Terminen, gewesen. Es ist mir aber schlecht bekommen: ich bin heiser geworden, u. werde in nächster Woche mich von den Terminen fernhalten müssen. Ich soll jetzt || früh und Abends Emser Krähnchen trinken. Sonst bin ich munter. – Hermann war gestern Abend auf ein von Tante Bertha geschicktes Billet in der Festvorstellung des Piccolomini u. ist heut früh sehr befriedigt wiedergekommen. Von den unsrigen kann ich Dir noch berichten, daß sich Mutter Minnchen nicht sonderlich befinden soll. Auch August Jacobi hat einen schlagartigen Anfall gehabt u. Onkel Müller ist auch nicht ganz auf dem Zuge. Mein Schwager Lisco war dagegen recht munter, als er uns vor 8 Tagen besuchte. – Carl’s Brief von vor 8 Tagen war recht frisch. Freut mich, daß er sich gefällt u. bei Euch heimisch fühlt. Ich bin begierig auf den nächsten Brief. –

Theile ihm aus diesem mit, was sich eignet, die Hauskaufgeschichte lieber noch nicht, weil sie noch nicht perfect ist. Daß Du so tüchtig in Arbeit sitzest, ist ja recht schön; aber vergiß doch nicht Deine Gesundheit, alter Junge.

Ade. Alle grüßen

Dein

treuer Bruder Karl

Es ist recht gut gemeint, wenn Du Muttern jetzt einladest. Aber das ist bei jetziger Jahreszeit doch nichts für sie. Im Sommer wird sie kommen.a

Daß Du gleich nach Weihnachten einige Tage kommst, darauf rechne ich bestimmt. Wir haben auch verschiedene Geschäfte abzumachen.b

a weiter am Rand v. S. 4: Es ist recht... wird sie kommen.; b weiter am Rand v. S. 3: Daß Du gleich...verschiedene Geschäfte abzumachen.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
12.11.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35032
ID
35032