Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 21. September 1871
Potsdam 21 Septbr 1871
Lieber Bruder!
Für Deinen Gruß zum 20st herzlichen Dank. Er traf mich im Bette, da aus einem anfangs leichten Halsweh sich ein örtliches Leiden in der Zapfengegend – eine kleine Stelle mit diphtheritischem Belag sich gebildet hatte, die seit Samstag mich in ärztliche Behandlung u. Arrest brachte. Tapferes Touchiren mit Höllenstein u. Chlorgurgeln verhinderte das weitre Umsichgreifen; aber noch kann ich nicht heraus, bis die Stelle die mich immer noch schmerzt beim Schlucken, ausgeheilt ist; wir haben deshalb auch die Reise aufschieben müssen, hoffen aber doch noch Anfangs nächster Woche den projektirten Ausflug in den Harz zu machen.
Briefe der Theilnahme an unserm herben Verlust hatten wir in den letzten Tagen viele, so ich von Richter, Steinbach, Dr. von Wangemann & Arndt u.s.w. Mutter Minnchen klagt darüber, daß sie doch recht angegriffen sei. – Mit Vaters Schlucken geht es nach gestriger Nachricht von Mutter besser. Aber eine ernste Erscheinung ist dies Uebel doch wohl, wie unser Arzt meint, ein Zeichen zunehmender Schwäche. ||
Für Karl bitte ich eine freundlich gelegene Wohnung in der inneren Stadt, am liebsten am Graben mit Sonnenseite, auszusuchen; Preis u. sonstiges überlasse ich Dir. Gut ist es wohl, wenn er das Bett mitmiethet u. nicht mit hinzubringen braucht. Oder was ist dort Styl? –
Die gewünschten Zeitungen erhältst Du gleichzeitig per Kreuzband. Ich habe Dir noch, da ich sie grad las, die Woltmann‘schen Artikel über die Dresdner Holbein-Ausstellung beigepackt.
Denke Dir, im Juli habe ich noch ein Zeitungspaket, das ich Dir von Lesina nachsandte, zurückerhalten. Anbei der Umschlag! Sie hatten das Ding nach Ragusa und Wien umhergesandt, natürlich vergeblich.
Hoffentlich sind die Deinen glücklich von Berlin aus mit Dir heimgekommen. Grüße sie schön. Clara grüßt von hier.
In alter Liebe
Dein
Karl
der Dir noch herzlich für den Besuch am 15t dankt.