Haeckel, Karl

Von Karl Haeckel, Freienwalde, 10./11. Juli 1856

Freienwalde 10 Juli 1856

Lieber Junge!

Unsre Korrespondenz wird jetzt durch den gegenseitigen Austausch der älterlichen Briefe, den Du doch wohl auch Deinerseits nicht versäumen wirst, recht lebhaft werden. Zum 8ten erhielten wir außer Deinem Paket, das schon den Tag vorher hier war, auch den beiliegenden der Aeltern von Tante Bertha zugeschickt. Du wirst daraus ersehen, daß unsre liebe alte vom Wechselfieber heimgesucht ist. Gott gebe daß sie es gut übersteht. Bist auch Du der Ansicht daß der Ausbruch dieser Krankheit ihr vielleicht grade zuträglich sein wird? – Die Reise wird wohl jedenfalls dadurch noch etwas mehr in die Länge gezogen werden. Denn mit vier Wochen werden sie nun keinenfalls in Eilsen auskommen. Vaters Brief ist recht frisch und lebendig, so recht, wie er mit uns auch mündlich plaudert. Gott erhalte ihn uns noch lange so.

11 Juli früh.

Deine Sendung a zum Geburtstag hat uns viel Freude gemacht. Mimmi ist auf das Geschenk um so stolzer, als Du es von Deinen „Schmerzensgeldern“ wie sie Virchow nennt, gekauft hast. Das Bildchen hat sich unter der Hand von Frl. Aegidi, die noch etwas nachretouschirt hat, noch verbessert und wird nächstens in der Wohnstube unter den || andern Familienbildern hängen. Wir haben durch den Geburtstag einen tüchtigen Zuwachs zu denselben erhalten. Helene in Posen sandte eine Photographie von sich und Klärchen, u. die Schwiegerältern Photographien von ihren sehr ähnlichen Oelbildern. – Wir waren am 8t im Familienkreise recht heiter beisammen. Ich hatte zum Nachmittag einen Wagen bestellt, mit dem wir auf dem Majorswege (hinter der Teufelsbrücke auf der Höhe hinweg nach Dannenberg und Cöthen fuhren, den Park von Cöthen dann zu Fuß bis vor nach der Karlsburg (einer Restauration auf einem Berge unmittelbar über Falkenberg) durchwanderten, u. Abends wieder nach Hause fuhren. Frl. Julie Grieben fuhr mit; Frl. Aegidi konnte nicht, da ihre Mutter krankb zu Bett lag. Gestern – zu Hermanns Geburtstag, war große Kinder-Chokolade, 6 kleine Gäste, mit denen unsre Bälger zusammen allerliebst spielten. Hermann läuft zwar noch nicht allein, tappert aber an andrer Händen u. an Stühlen u. Wänden allerliebst herum u. ist dabei immer sehr aufgeräumt. Karl hat täglich neue possirliche Einfälle, dieser [Tage] kommt er mit einem || Stückchen Holz, das er aufgelesen nach Hause, es zwischen Zeige- u. Mittelfinger haltend, u. von Zeit zu Zeit in den Mund steckend. „Eine Cigarre, Mamma, wie Papa“ ruft er. Der fängt früh an! –

Durch die verschiedenen Familienbriefe haben wir sonstc recht angenehme Nachrichten erhalten. Die Kur in Carlsbad scheint Vater Christian recht gut zu bekommen. Sie wollen den 18t etwa von dort aufbrechen u. durch die fränkische Schweiz, dann über Würzburg nach Heidelberg. Auch Onkel Julius, der mit der Frau nach dem 21 Juli abreist, wird Heidelberg passiren. Es wird Dir also nicht an Besuchen fehlen; mache Dich nur recht liebenswürdig u. führe Deine Verwandten auf die hübschen Punkte; sei auch gehörig galant gegen Deine Cousinen u. schleppe sie hübsch die Berge hinauf.

Wir werden auch unterdeß Besuch haben; Helene mit den Kindern kommt den 20t dieses Monats her u. bleibt bis etwa zum 8 August, wo sie mit uns nach Heringsdorf auf circa 3 Wochen geht. || Anfang August wird wohl auch noch Vater Christian einige Tage bei uns weilen.

Einen Referendar habe ich auch auf drei Monat seit vorigen Sonntag u. so denke ich den Sommer recht angenehm zu verbringen. Abends lese ich mit Mimmi fast ganz regelmäßig, meist Riehl, den wir noch nicht aus haben, daneben Journale, namentlich die Grenzboten, in denen ganz treffliche Aufsätze sind.

Mimmi ist zum Baden, ich grüße u. danke Dir daher heut in ihrem Namen u. sende den Brief so ab, damit der [Brief] der Aeltern nicht zu alt wird. Vergiß nicht mir died ihrigen auch zu senden. Wenn Du aber ein Paket schickst lege zu einem Brief das Couvert, sonst kannst Du in tüchtige Strafe verfallen. Für die Besorgung des Todtenscheins danke ich im Voraus lege mir ja die Quittung über Deine Auslagen bei. Ade alter lieber Junge.

In alter Liebe

Dein Karl.

a gestr.: hat; b eingef.: krank; c eingef.: sonst; d korr. aus: den

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
11.07.1856
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 34943
ID
34943