Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Ernst Krause, Jena, 14. Januar 1886

Jena 14 Januar 1886.

Lieber Freund!

Für Ihren gestern erhaltenen lieben Brief und die „kleinen Schriften“ Darwins danke ich herzlich, und ganz besonders für Ihre freundschaftliche Absicht, dem Wunsche der Redaction von „Nord-Süd“ nachzukommen und die biographische Skizze zu meinem Portrait zu liefern; das in einer der nächsten Nummern erscheinen soll. Ich bekenne offen, daß ich diese Skizze von Niemand lieber als von Ihnen geschrieben sehe, da meine nächsten und ältesten Freunde (vor Allem Gegenbaur) sich nicht zu einem derartigen Aufsatz entschließen, von den fernerstehenden aber wohl keiner ein so gerechtes und unparteiisches Urtheil von weiterem Gesichtspunkt aus hat, als Sie.

Selbstverständlich bin ich zu jeder gewünschten Mittheilung bereit. Vielleicht ist es am einfachsten, wenn Sie zunächst die beifolgend verzeichneten älteren Skizzen ansehen a, in denen Sie die wichtigsten thatsächlichen Angaben finden, und beim Durchsehen gleich auf einen Fragebogen bemerken, was Ihnen einfällt. Einige Notizen finden Sie auch in den „Indischen Reisebriefen“ und in der „Generellen Morphologie“ (Vorwort, Schluss), ferner Vorwort zu der Monographie der Radiolarien. || Im Allgemeinen ist die Anerkennung meiner Arbeiten im Auslande Nord-America, England, Frankreich, Italien und Spanien) viel rascher erfolgt als im Inlande, am spätesten in meinem lieben Berlin! Spaßhaft ist, daß nach statistischer buchhändlerischer Zusammenstellung sowohl Darwins als meine Schriften in den ersten 10 – 15 Jahren in keiner größeren Stadt so wenig verkauft worden sind, als in der „Metropole der Intelligenz“. –

– Sollten Sie Eigenes über den Gang meiner Arbeiten sagen wollen, so wäre vielleicht die Abwechslung von empirisch speciellen und von philosophisch generellen zu erwähnen, ferner der gelegentliche, aber weitreichende Einfluß der 3 Reden auf Deutschen Naturforscher-Versammlungen (1863 in Stettin, 1877 in München, 1882 in Eisenach[)]. Falls Sie von diesen und anderen Publicationen Etwas einzusehen wünschen, werde ich sie Ihnen schicken. – Sollten Sie auf die „Fälschung“ des lieben His zu sprechen kommen, so kann ich diese aufklären. Indessen wird es besser sein, die Polemik (ohnehin genug bekannt) möglichst zu vermeiden. || Die zoologischen Reisen an die Meeresküsten sind im Vorwort zur Monographie der Medusen aufgezählt.

– Viel wird Ihnen in Berlin mündlich mein lieber Freund Hermann Allmers erzählen können, mit dem ich in Italien reiste; er ist jetzt noch 3 Wochen in Berlin (Adresse leicht in Künstler Kreisen, Otto Knille etc zu erfahren). Ferner kann Ihnen sehr viel Anekdoten aus der Jugend etc erzählen meine Tante, Frl. Bertha Sethe b (Friedrich-Wilhelm-Str. 3., II, Berlin W). Sie haben sie einmal im Zoologischen Garten kennen gelernt. Sie wird sehr gerne von mir erzählen.

– Einiges Brauchbare finden Sie ferner in den Vorreden zur Schöpfungsgeschichte und Anthropogenie und in den „Arabischen Korallen“ (1876).

Falls Sie es wünschen, kann ich Ihnen auch eine Anzahl ausländischer Besprechungen meiner Arbeiten c zusenden, besonders ausführlich aus England und America (Lester Ward u. A.), ferner einige Schriften über „Haeckelismus“ aus Frankreich (Léon Dumont) und Spanien (Casanova) etc etc. Kennen Sie das schöne „Laien-Brevier des Haeckelismus“? || Was Sie mir über Francis Darwin mitgetheilt haben, hat mich sehr intessirt; ich bin auf die große Biographie seines Vaters sehr gespannt, und kann eventuell Nachträge liefern.

Wie ich Ihnen wohl schon zu Weihnachten schrieb, hoffe ich im April auf mehrere Wochen nach Berlin kommen und bei Eschke im Atelier malen zu können. Dann werde ich hoffentlich auch Sie öfter sehen!

Mit herzlichsten Grüßen

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel

P.S. Von den „Indischen Reisebriefen“ kann ich Ihnen augenblicklich nur die erste Auflage schicken; die zweite unterscheidet sich übrigens nur durch den zugefügten Adams-Pick den ich beilege. Ich bedaure sehr, daß Sie das Buch nicht längst in Händen haben; ich hatte bestimmt geglaubt, es Ihnen durch Gebrüder Paetel geschickt zu haben. Vermuthlich liegt hier ein „Versehen“ vor! Hoffentlich kann ich Ihnen in einigen Jahren die beabsichtigte erweiterte u. illustrirte Ausgabe schicken!

a gestr.: und; b gestr.: die; c gestr.: xxx

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.01.1886
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Handschriftenabteilung
Signatur
Slg. Darmstaedter, Lc 1875: Haeckel, Ernst
ID
33168