Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 10. August 1908

ZOOLOGISCHES INSTITUT

DER UNIVERSITÄT JENA.

Jena 10.8.1908

Liebster Freund!

Vermutlich wirst Du bereits durch die Zeitungen von dem glücklichen, allgemein befriedigenden Verlauf des großen Universitäts-Festes – vom 30. Juli bis 1. August, unterrichtet sein. Ich hätte Dir sehr gern schon früher geschrieben; war aber durch eine unerhörte Last von Geschäften, Bausorgen, akademischen Pflichten, Besuchen und dringlichster Korrespondenz dergestalt in Anspruch genommen, daß mir keine Zeit für meine Freunde blieb. Auch die letzte Woche war ich noch ganz mit Aufräumen, Beantwortung unzähliger Anfragen und Bitten beschäftigt. ||

Sehr glücklich war es für mich, daß mein Teil des Jubelfestes – die Übergabe des „Phyletischen Museums“ an die Universität – den ersten Abschnitt und die Einleitung des Ganzen bildete; sie verlief in bester Stimmung – 4 Reden in einer Stunde (10–11) – darauf 2 Stunden Besichtigung der Räume und biologisches Frühstück (11–1). Sehr gehobene und heitere Feier! Im schönsten Raum, „Phyletisches Archiv“, eine schöne Bildersammlung und als Glanzstück beifolgendes Gypsbild von Herold (Frankfurt): „Aphrodite in der Muschel“ – mit der Unterschrift: „Neue Hypothese über den Ursprung des Menschen: aus der Auster“!! Geschenk von Dr. Paul Rottenburg (Glasgow). ||

Da ich die 2000 Mk., die Du gütigst für das Phyletische Museum neuerdings spendetest, vorzugsweise zur ornamentalen Dekoration des Inneren, außerdem für einige große schöne Archivschränke verwendet habe, wirst Du, hoffe ich, mit diesen speciellen „Kunstformen“ zufrieden sein.

– Meine Frau ist seit 3 Wochen zur Kur in Lobenstein; sie hätte den kolossalen Festtrubel nicht mitmachen können.

Ich lebe als Einsiedler in Villa Medusa (nur Nachts zum Schlafen), Tags im Zoologischen Institute, Frühstück und Mittag auf dem Weimar-Gera-Bahnhofe. ||

Am 17. oder 18.8. denke ich auf 2–3 Wochen in die Schweiz zu gehen. Von Anfang September an bleibe ich hier. Sollte Dich Dein Reise Schicksal im Spätherbst nach Deutschland führen, so hoffe ich sehr auf Deinen Besuch. Du mußt doch bald a sehen, wie Dein Name auf der Ehrentafel („Förderer des „Phyletischen Museums“) neben den Thüringer Fürsten prangt!

Im Inneren des Museums ist jetzt noch Nichts zu sehen, da das Gebäude erst ordentlich austrocknen muß. Im Frühjahr 1909 beginnt die eigentliche innere Einrichtung. –

Meyers waren beim Feste hier – sehr fidel! – sind jetzt in Tyrol.

– Nochmals tausend Dank! liebster Freund! und beste Grüße

Dein treuer E. Haeckel.

a gestr.: D

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
10.08.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32891
ID
32891