Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Max Fürbringer, Baden-Baden, 19. Oktober 1895

Baden-Baden, 19. Oct. 1895.

Lieber Freund!

Für Deinen lieben Brief danke ich Dir bestens, und besonders für Deine aufopfernden Bemühungen in meinem Interesse, den Besuch beim Curator etc. Ich habe inzwischen die erste Hälfte meiner Cur absolvirt. Heute vor 14 Tagen trafen wir hier ein, nach 11stündiger directer Fahrt (von 7 fr. bis 6 Abends).

Das Hôtel Friedrichsbad (in dem ich schon vor 4 Jahren wohnte) hat uns freundliches Logis und gute Kost geliefert. Als pflicht-getreuer Patient widme ich täglich der Pflege meines alten Körpers den ganzen Vormittag, mit Baden, Trinken, und besonders Schwedischer Heil-Gymnastik. Letztere wirkt vorzüglich, besonders die Uebungen in Rotation und Flexion des steifen Gelenks. Dasselbe ist schon etwas beweglicher geworden, sodass ich Nachmittags bereits 1 Stunde spazieren kann – zwar nicht gehen, aber hinken, und langsam!

Das Herbstwetter war in der ersten Woche noch sehr schön und gestattete ein paar reizende Spazierfahrten. Seit 4 Tagen ist aber jäher Umschlag eingetreten, seit gestern sogar Frost (Morgens –2°!). Immerhin ist der Wald noch sehr schön und der ganze Ort angenehm; auch meine Frau und Tochter freuen sich desselben. In den letzten Tagen ist es ziemlich leer geworden. Grosse Freude bereitete mir ein 3 tägiger Besuch von Gegenbaur, der zwar immer schnurriger und misanthropischer wird, aber im Bezug auf klare und geistreiche Urtheile, und umfassende Naturanschauungen, der Alte geblieben ist. –

Meine Frau grüsst mit mir Dich und Deine liebe Frau herzlichst. Auch Dr. Geger (alter Commilitone von Dir, der sich von einer Pleuritis erholt) trug mir Grüsse auf. Ihr werdet wohl jetzt Eure muntere Lisbeth sehr entbehren! –

Stets Dein treuer alter

E. Haeckel.

Sonnabend, 2. November denken wir zurückzukehren.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
19.10.1895
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 32303
ID
32303