Ernst Haeckel an Herman George Scheffauer, Jena, 19. September 1912
Jena, 19.9.1912.
Lieber Freund Scheffauer!
Ihre Absicht, eine Monographie über meine philosophische Lebensarbeit, mit besonderer Beziehung zum modernen Monismus, zu schreiben ist vielleicht insofern dankenswert, als tatsächlich die gegenwärtige, von Jahr zu Jahr mächtig wachsenden monistische Bewegung, ihren Ausgang von meiner „Generellen Morphologie“ (1866) genommen hat. Indessen ist andrerseits zu bedenken, das Vieles darüber bereits in den Büchern meiner Biographie gesagt ist: 1. Bölsche, 2. W. Breitenbach, 3. C. Neumann. 4. Walter May, 5. Keller und Lang, 6. Mc. Cabe (und viele Broschüren). Sie besitzen diese schon alle wohl? Sonst werde ich Ihnen gern das noch fehlende Material schicken.
Sehr viel interessantes (und für die Geschichte der Entwicklungslehre wichtiges) Material ist in dem neuen Phyletischen Archiv angesammelt, (3 Zimmer im Obergeschoss des Phyletischen Museums), dessen Organisation und Direktion jetzt mein langjähriges Assistent, Dr. Heinrich Schmidt übernommen hat. Ich habe ihn jetzt als „Archivar“ des PH. M. anstellen können (mit 1200 Mk Gehalt) nachdem kürzlich ein alter Freund von mir für diesen Zweck ein Kapital von 36.000 Mk gestiftet hat. Ich selbst werde wohl wenig mehr für die Verwertung dieses reichen Materials tun können, da meine Gesundheit immer mehr abnimmt. Die schmerzhafte Arthritin deformans (in Hüft- und Knie-Gelenk) macht mir das freie Gehen und Reisen unmöglich.
Mit herzlichen Grüssen und besten Wünschen stets Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.