Klinghammer, Waldemar

Waldemar Klinghammer an Ernst Haeckel, Rudolstadt, 29. März 1908

Rudolstadt, 29. März 1908.

Ew. Excellenz

mögen gütigst verzeihen, wenn ich erst heute meinen und Bockelmanns innigsten Dank für Ihren liebenswürdigen Brief, die freundlichen und ehrenvollen Grüße an uns, und die schönen Bilder ausspreche.

Ich habe seit Mitte dieses Monats an Rippenfellentzündung gelegen, und bin heute zum ersten Male wieder am Schreibtische.

Eben hat mich Ew. Excellenz Studiengenosse aus Würzburg, der Geheime || Sanitätsrat Dr. Bockelmann, dem ich gestern die Hälfte der Bilder zuschicken ließ, verlassen und mir nochmals aufgetragen, in seinem Namen herzlichst zu danken. Er ist zwar nicht mehr so rüstig wie Sie, aber trotzdem noch von jugendlicher Begeisterung für alles Gute, Schöne und Wahre erfüllt u. hat die meinem Vater in der Jugend gehaltene Freundschaft auf mich übertragen.

Wir haben Beide weidlich für Sie, als unserm Wegweiser auf der Suche nach Wahrheit, geschwärmt, und ihm verdanke ich ja auch die Ehre der persönlichen Bekanntschaft Ew. || Excellenz, worauf ich nicht wenig stolz bin.

Der mir gütigst übersandte Zeitungsausschnitt hat mir erst deutlich gezeigt, welchen Gesinnungsroheiten heutzutage, im zwanzigsten Jahrhundert, ein Forscher wie Sie, noch ausgesetzt sein kann, und in wie tiefem Dunkel unser armes Volk noch von den schwarzen Brüdern in Christo gehalten wird.

Und doch denke ich, daß gerade unsere gesunde germanische Rasse, wenn sie erst von diesem Nachtalb befreit ist, am ersten berufen sein wird, der Welt die geistige Freiheit zu schenken und zu erhalten, an deren Ausbau Sie Ihr ganzes reiches Leben || gewandt haben. Die Blätter des deutschen Monistenbundes u. die neuen Bremer Flugschriften sind mir immer wieder ein Labsal, und ich bedaure nur immer wieder, daß gerade in Juristenkreisen so wenig gleichgesinnte Männer zu finden sind. In Schwarzburg Rudolstadt machen die jungen Referendare u. Assessoren immer noch ihre Carriere mit dem Gesangbuch u. keiner unserer Theologen darf in Jena studiren, ohne die Berechtigung auf eine Anstellung im Lande zu verlieren! Ich preise meine garstige Unabhängigkeit u. bin glücklich, auf dem Wege monistischer Weltanschauung den alten Aberglauben immer mehr abtun zu können!

Mit ehrfurchtsvollen Grüßen

Ew. Excellenz ganz ergebener

W. Klinghammer

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
29.03.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31243
ID
31243