Hartmann, Eduard von

Eduard von Hartmann an Ernst Haeckel, Berlin, 10. März 1875

Berlin den 10. März 1875.

Hochgeehrter Herr Professor!

Mit aufrichtigem Bedauern entnehme ich Ihrem werthen Schreiben vom 3. d.M., daß Sie krank gewesen sind, und ich wünsche Ihnen von Herzen, daß Ihre Reise in’s Mittelmeer Ihnen nicht bloß wissenschaftliche Bestätigung sondern auch körperliche Stärkung und Kräftigung zuführen möge.

Die Müller’sche Kritik über Wigand will ich mir zu verschaffen suchen. Daß Wigand kein selbstständiger Denker ist, ist gewiß, und daher wird er auch auf naturwissenschaftlichem Gebiet nichts Hervorragendes leisten können. Ich habe sein Buch nur als die fleißigste || und bequemste Compilation von Stoff betrachtet und benutzt, der bei Beurtheilung der Tragweite der Darwinschen Principien in Betracht gezogen werden kann, und will hoffen, daß ich keine unrichtigen Angaben aus Wigand übernommen habe. Jedenfalls habe ich mich redlich bemüht, das Für und Wider nach allen Richtungen mit objectiver Ruhe und gewissenhafter Sorgfalt abzuwägen; wie weit esa mir gelungen ist, im Princip die rechte Mitte zwischen den gegnerischen Extremen zu treffen, mögen die competenten Beurtheiler entscheiden. Daß ein solcher Versuch, heftige Gegensätze zu vermitteln, zunächst von beiden || Seiten wenig Dank erntet, darüber bin ich mir keinen Augenblick im Unklaren gewesen; ebenso gewiß glaube ich aber auch, daß er dazu dienen kann, die Schärfe auf beiden Seiten zu mildern, indem er eine Perspective möglicher Vereinbarung eröffnet, – mag immerhin das wirkliche Resultat der geschichtlichen Entwickelung nachher ein erheblich anderes sein, als solcher erster Versuch es annimmt.

Mit nochmaligen besten Wünschen für Ihr Befinden und hochachtungsvollem Gruße

Ihr

ganz ergebenster

E.v.Hartmann.

a eingef.: es

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
10.03.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30201
ID
30201