Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 29. Oktober 1878

Berlin N. O. Friedenstraße 10. II.

den 29.10.78.

Lieber Freund!

Soeben empfange ich von Strauß in Bonn ein Exemplar Ihrer „Gesammelten Vorträge“, in deren Vorwort Sie des Kosmos u. meines Buches a so freundlich Erwähnung thun. Ich danke Ihnen herzlichst dafür: der Erstere namentlich kann b eine gelegentliche Empfehlung wohl gebrauchen. Er ist in einer sehr ungünstigen Zeit zur Welt gekommen u. wird Noth und Mühe haben, sich durchzuarbeiten. Unter den unzureichenden Aufwendungen, die Alberts machen kann u. will, leidet natürlich Alles. Ich selbst kann ihm nicht die Sorgfalt widmen, die erforderlich wäre, weil ich daneben eine Menge andrer Arbeiten treiben muß, um leben zu können. Die beiden andern Redacteure thun weniger als nichts, indem Sie mir höchstens Hindernisse in den Weg legen. Caspari habe ich mir so ziemlich vom Halse geschafft, seine philosophischen Beiträgen erregten regelmäßig Verstimmung bei den Abonnenten. Jaeger droht seit einem halben Jahre mit seiner „neuentdeckten“ Eiweißseele, der ich so kühl begegnet bin, daß er sie uns vielleicht gnädig erläßt. Ich weiß nicht, wie er dazu kommt, dieselbe für seine specielle Entdeckung zu halten, u. habe ihn vorsichtig darauf aufmerksam machen lassen (durch Alberts) daß seine Gleichstellung von seelischer Thätigkeit mit Düften u. Geruchsstoffe Abscheiden, denn doch mit Gewalt den Spott herausfordern hieße. Seitdem scheint er in sich gegangen zu sein.

In dem Dezemberheft werden Sie einige sonderbare Expectorationen von Seydlitz finden, der sich einzubilden scheint, er selbst sei der Einzige, welcher die Darwin’sche Theorie verstanden habe, u. dabei von hohem Pferde herab, un-||ter Andern auch mancherlei gegen Sie vorzubringen hat. Ich habe es stehen lassen, weil die Freimüthigkeit ja auch ihre guten Seiten hat, u. Sie diese kleinen Mäkeleien wollen nicht höher achten werden, als Flohstiche, denen man auf dieser Erdenfahrt nun einmal nicht entgehen kann.

Der Gasträa-Artikel ist nun in der Gartenlaube auch endlich erschienen, u. ich sende Ihnen denselben unter Kreuzband, falls Sie ihn noch nicht gesehen haben sollten. Da er so lange gelegen hat, sieht er etwas veraltet aus, u. einige Kürzungen u. Druckfehler, welche man anzubringen beliebt hat, haben denselben nicht verschönert. Ich denke nun, falls Sie nicht vorziehen, es selbst zu thun, die Theorie im Kosmos darzustellen, u. möchte Sie eventuell bitten, mir einige Fingerzeige über die neuesten Beiträge zu derselben zu geben. So z. B. habe ich vor einiger Zeit gelesen, daß die Beneden’sche Ansicht von der geschlechtlichen c Differenz der beiden primären Keimblätter – wie ich immer annahm – falsch sei, aber ich habe vergessen, bei welcher Gelegenheit, durch wen u. wobei der Nachweis erbracht worden ist. Vielleicht könnten Sie mir darüber gelegentlich einen Wink geben. Und endlich – haben Sie in der Normandie gar nichts für uns Brauchbares gesehen? Sie haben mir zwar angedroht, daß die Artikel über die Entwickelung der Sinnesorgane auf lange Ihr letzter Beitrag sein würde, allein im Interesse der Sache hoffe ich, werden Sie gelegentlich eine Ausnahme machen.

In der Hoffnung u. mit dem Wunsche, daß Sie sich wohl befinden mögen, herzlichst grüßend

Ihr ergebenster

Ernst Krause

a gestr.: Sie; b gestr.: ich; c gestr.: Un-

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.10.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29443
ID
29443