Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 4. Februar 1878

Berlin N. O. Friedenstraße 10. II.

den 4.2.78.a

Lieber Freund!

Sie werden Sich nicht wenig gewundert haben, daß wir den Abdruck Ihres so sehnlich erwarteten Beitrages nun mehrere Monate liegen lassen, statt ihn sogleich zum Abdruck zu bringen. Der eigentliche Grund ist wohl nicht der, daß wir ihn nicht hätten b in zwei Abtheilungen bringen können, um nicht den Schluß in den neuen Jahrgang zu bringen, sondern vielmehr des Herrn Alberts buchhändlerisches Interesse, der da meinte, wir müßten mit dem Artikel wenigstens drei Hefte u. vor Allem ein erstes Quartalheft schmücken, welches er nämlich wieder in etwas größerer Auflage || drucken u. versenden will. Alberts ist im Allgemeinen ein vernünftiger Mensch, den ich, wenn irgend thunlich, gewähren lasse, nur seine allzu freundschaftlichen Beziehungen zu Hellwald thun uns manchen Schaden, indem er mich fortwährend bestürmt, dessen Artikel aufzunehmen, die dem Kosmos bisher nicht zur Zierde gereicht haben. Hellwald ist ein prächtiger u. lieber Mensch, aber, wie ich nun gesehen habe, eine höchst urtheilsloser Vielschreiber, der immer dem beistimmt, den er zuletzt gehört oder gelesen hat: seine besten Artikel über Urgeschichte enthalten wieder das Mögliche an Widersprüchen, u. Verallgemeinerungen kürzlich hier u. da geäußerter Privat-Ansichten. Es ist mir unbegreiflich, wie dieser von einem Extrem zum andern schwankende Mensch, ein Buch mit im Allgemeinen so richtigen Urtheilen schreiben konnte, || wie sie trotz aller Fehler im Einzelnen seine Culturgeschichte darstellt. Auch Prof. Caspari fängt alles, was er in Redaktionssachen beginnt, am verkehrten Ende an, u. Alberts hat eingesehen, daß wir seinen Einfluß auf ein Minimum beschränken müssen. Prof. Jaeger will neuerdings eine große weltbewegende Entdeckung gemacht haben, welche er die „Seuchenfestigkeit“ nennt u. über die er im nächsten Kosmoshefte berichten will. Ich bin nicht ganz ohne Besorgniß, daß er sich am Ende doch blamirt, aber im Übrigen ist er ja doch ein alter Prakticus, dem man jugendliche Illusionen kaum mehr zutrauen sollte. – Der Sekretär des alten Baer hat mir kürzlich noch wieder einen langathmigen Artikel über die Stellung des Letzteren zumc Darwinismus zugesendet, den ich demselben aber zurückgeben werde, da er durch eine Zusammenstellung von Aussprüchen u. Citaten nur zeigt, daß der greise Naturforscher || zuletzt selber nicht mehr gewußt hat, was er wollte, u. sich fortwährend darin widerspricht. Solche Veröffentlichungen können weder dem Verstorbenen noch uns zur Ehre gereichen und eben darin schlägt der Herr Grave einen sehr wenig anständigen Ton gegen Sie an! Wie es scheint, hatte Prof. Huber eine Polemik gegen seine erste von uns nachgedruckte Darstellung in der Allgemeinen Zeitung begonnen, die mir entgangen ist, u. darauf soll das nun eine Antwort sein. Ich werde ihm aber schreiben, er möge den alten Herrn nun in Frieden ruhen lassen, da es ein vergebliches Beginnen ist, die Meinung einer Persönlichkeit zu fixiren, die alle Tage einer andern Stimmung folgte, u. heute in Frage stellte, was sie gestern geäußert hatte. – Haben Sie davon gehört, daß Caspari Ihre Berufung nach Heidelberg mit großem Eifer betrieben hat? Seine Bestrebungen würden mir schmerzlich sein, falls Ihnen etwa an dieser Umsiedlung läge, denn bei seinem imposanten Mangel an Menschenkenntniß u. Geschick, mußd ich fürchten, daß der Erfolg das Gegentheil der guten Absicht sein möchte. Hoffend, daß Sie gesund u. munter sind, mit den herzlichsten Grüßen

Ihr

ergebenster

Ernst Krause

a korr. aus: 77.; b gestr.: mit; c gestr.: gegen den; eingef.: zum; d gestr.: würde; eingef.: muß

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.02.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29436
ID
29436