Krabbe, Harald

Harald Krabbe an Ernst Haeckel, Frederiksberg, 10. Dezember 1858

Frederiksberg d. 10 December 1858.

Lieber Haeckel!

Quand on parle du soleil on voit ses rayons, und nicht, wie es im Dänischen weniger elegant heißt: wenn man vom Teufel spricht, ist er Einem am nächsten, – mußte ich denken, als ich als Antwort auf meinen Gegenbauerschen Brief Deine Verlobungsanzeige erhielt. Weit entfernt, Dir deswegen Vorwürfea zu machen, bringe ich Dir im Gegentheil meine herzlichste Glückwünschung dazu; Du mußt mich nämlich mißverstanden haben, wenn Du glaubst, daß ich so entschieden auf den erwähnten Standpunkt bestehe; ich glaube indessen, daß er als Folge unserer so sehr civilisirten Verhältnisse zeitweilig berechtigt ist, und daß man ihn wo möglich nicht verlassen muß, bevor man einigermaßenb selbstständige Lebensfähigkeit erlangt hat, – halte aber übrigens das Coelibat in einem Alter von 27 Jahren für eine ganz katholische Erfindung. Ich hoffe aber, daß es nicht gar zu lange dauern werde, bevor ich mich durch eine bessere Hälfte werde ergänzen können, kann dann nur wünschen, eben so glücklich in meiner Wahl und im Erreichen zu sein wie Du, und werde dann hoffentlich eben so glücklich dabei sein; – so denkt man, wenn man nicht verlobt ist, nach Deiner Meinung vielleicht etwas zu philisterhaft.c Daß mein langes Schweigen aus Mangel an Theilnahme herrühren sollte, wirst Du hoffentlich nicht gedacht haben; || zum Theil ist die Ursache die gewesen, daß ich gewünscht hätte, zugleich einige Snyltekrebs an Hartmann schicken zu können, wozu ich leider noch nicht im Stande bin. Ich war vor einiger Zeit bei Kröyer, der mir sagte, er hätte den besten Willen, Hartmann beizustehen, hätte auch Mehreres durchgesehen, und Einiges zur Seite gestellt, aber sein elender Gesundheitszustand machte ihm es nur selten möglich, im Musäum zu arbeiten. Ich höre täglich Bendzs Vorlesungen über die Anatomie der Hausthiere und über die Zoologie, die mir sehr gefallen, und mache dazu allerlei zootomische Präparate; denn als Anatom hält er weniger auf die Sÿstematik als auf die Anatomie. Es wird dich vielleicht interessiren können zu erfahren, daß er nach Johann Friedrich Meckels Tod in Halle ein Catalog über die dortige Sammlung verfaßte, welcher sich in unserer Bibliothek befindet; es war dadurch veranlaßt, daß die hiesige Universität daran dachte, die Sammlung zu kaufen. Das Ordnen des Musäums der Landbohöiskole giebt mir auf längere Zeit noch viele Beschäftigung; zum Frühjahr soll ich auch noch ein Catalog darüber aufnehmen. Die Sammlung ist zwar nicht bedeutend, enthält aber doch manches Interessantes: Helminthen von Abildgaards Zeit, Präparate zum Prämordialcranium von Jacobson; Kröyer hat die Sammlung mit Crustaceen versehen, Schjödte mit Insekten, unser Landsmann van Deen in Groeningen mit Reptilien. Was ich von zoologischen Sachen hatte, habe ich dem Musäum || gegeben, und durch freiwillige Beiträge wachst es allmählig. – Im März werde ich wohl auf kürzere Zeit nach Kiel reisen, zur Hochzeit meiner Schwester; zur selben Zeit feiert auch mein Vater sein 50jähriges Jubiläum. Daß Du im Frühjahr mit so vielem Eifer den Gegenbauerschen Standpunkt bekämpftest, mußte allerdings die Vermuthung erregen, daß Du dazu ganz specielle Veranlassung hattest, es fiel mir aber nicht ein, daß es schon so weit gerathen sei; nun erklärt sich ja aber auch ganz gut die Hartnäckigkeit, womit Du Dich einer Entführung nach Kiel widersetztest; es soll Dir dann auch für diesmal vergeben sein! – Hier hat nämlich die Sennora Pepita manches Gehirn verrückt, besonders als sie auch anfing zu singen und Dänisch zu reden; einen gefährlichen Nebenbuhler hätte sie aber beinahe an Eschricht gefunden, der für ein Auditorium von 3 – 400 Zuhörern Vorträge über Caspar Hauser (gegen Daumer), Friederick Minter (einem idioten Katzenmaler), die Gorillaaffen und andere berühmte Persönlichkeiten hielt. – Nun lebe wohl! grüße unsere gemeinschaftlichen Freunde, empfehle mich Deinen Eltern so wie der Vorzüglichsten Deiner 15 Cousinen, und, wenn Du mal auf einige Augenblicke Deine Gedanken von ihr losreißen kannst, so erfreue durch einen Brief Deinen treuen Freund

H. Krabbe.

a korr. aus: Vorfwürfe; b korr. aus: einigermaaßen, c korr. aus: phistlisterhaft

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.12.1858
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29183
ID
29183