Kükenthal, Willy

Willy Kükenthal an Ernst Haeckel, Jena, 22. Februar 1897

PROF. W. KÜKENTHAL

JENA.

Jena d. 22 Febr 97

Hochverehrter Herr Professor!

Herzlichsten Dank für Ihren lieben Brief, aus dem wir erfahren, daß Ihre Reise bis jetzt glücklich verlaufen ist. Sehr erfreut hat es mich, daß Sie bei Ficalbi arbeiten wollen, ich glaube der gute Mann wäre ganz untröstlich gewesen, wenn Sie nicht zu ihm gekommen wären. Sein Laboratorium ist doch wirklich recht nett eingerichtet und giebt der Neapler Station darin nicht viel nach. Außerordentlich neugierig bin ich wie es sich dieses Frühjahr mit der pelagischen Fauna verhält, und ob sich erhebliche Unterschiede gegenüber der vorjährigen finden werden. Hr. Schultze hat es doch gut, daß er an der Hand des besten Kenners der messinenser Meeresfauna in diese ihm jedenfalls ganz neue Welt eingeführt wird, und die Erinnerung daran wird ihm später gewiß unvergeßlich sein. Mir wird immer ganz warm ums Herz wenn ich an die schönen Zeiten im vorigen Frühjahr zurückdenke, die ich in || Messina verlebt habe, waren es doch die letzten, verhältnismäßig sorgenlosen Tage, die ich mit meiner guten Frau genossen habe, und deren Wiederkehr in so weite Ferne gerückt ist. Die Nachrichten von ihr lauten ja verhältnismäßig prächtig, doch ist leider der Catarrh noch nicht völlig geschwunden, und die Zukunft sieht für uns trübe genug aus.

Hier in Jena geht alles seinen alten Gang weiter, und irgend etwas von Bedeutung ist nicht vorgefallen. Von den im Laboratorium arbeitenden Herren ist Müller mit seiner Arbeit fertig geworden und hat sie als Dissertation unter dem Titel „Ueber die Lungen der Wale“ eingereicht. Nächsten Sonnabend soll die mündliche Prüfung sein; ich bin um ihn nicht bange, er ist sehr tüchtig und fleißig und die Arbeit war recht gut. Die anderen Herren: Kundt, Krieschnik, Jungklaus und Kwietniewski werden erst im nächsten Semester promoviren. Ende der Woche || wird auch das Physikum sein. Da die meisten der Herren Zoologie belegt und besonders zahlreich Ihren Curs besucht haben wird wohl das Resultat der Prüfung eine gutes sein.

Das Wetter ist seit 8 Tagen sehr milde geworden. Der Schnee ist fast völlig geschwunden und heute z. B. sind 8 Grad im Schatten. Schon beginnen die Staare zurückzukehren und die Rebhühner beginnen sich – zur Freude der Jäger – zu paaren. Leider ist der Boden grundlos und Spaziergänge sind nur mit wasserdichten Stiefeln auszuführen.

Die Vorbereitungen zum Geographentag schreiten rüstig voran. Unser prächtiger Römer ist dafür ganz unschätzbar. In Jena ist viel Stimmung dafür, sind doch schon 171 Theilnehmerkarten an Jenenser abgegeben worden! Nansen wird nun doch nicht kommen, er schrieb neulich an mich, daß er am 23. April einen || Vortrag beim König von Schweden halten muß. Nun die Tagung wird auch ohne ihn interessant genug. Nicht weniger wie 18 Vorträge sind angemeldet, darunter Berichte der Reisenden Dr. Hermann Meyer, Oberhummer (über Kleinasien) dann Vorträge von Gerland, Supon etc.

Wir erwarten Sie zur Osterwoche ganz bestimmt in Jena zurück, es werden ja auch viele Ihrer persönlichen Freunde Richthofen, Credner etc. kommen, und wir würden unglücklich sein, wenn Sie nicht anwesend wären.

Bitte grüßen Sie Leo Schultze, Ficalibis, Consul Martens u. Frau, sowie Don Giovannino vielmals von mir, und erfreuen Sie uns, wenn Ihre Zeit es erlaubt, bald mir einer Nachricht.

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr getreuer

W. Kükenthal.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.02.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28406
ID
28406