Kükenthal, Willy

Willy Kükenthal an Ernst Haeckel, Alverströmmen, 12. September 1885

Verehrter Herr Professor,

Mit diesen Zeilen will ich mir erlauben einen kurzen Bericht über unsere Thätigkeit zu senden. Seit etwa 4 Wochen befinden wir uns in Alverstrømmen, einem kleinen, etwas nördlich von Bergen gelegenen Dorfe, und haben uns dort in dem Hause des Landhändlers Rasmussen niedergelassen. Da vor uns schon Zoologen, so Dr. Blochmann aus Heidelberg, hier Wohnung genommen hatten, und unser intelligenter Wirth denselben bei ihrer Arbeit sehr behülflich gewesen war, so befanden wir uns bald || im Besitz eines kleinen zweckmäßig eingerichteten Laboratoriums; aus ein paar großen Waschkübeln, und einem Gummischlauch wurde ein kleines Aquarium mit fließendem Wasser aufgebaut und schon nach ein paar Tagen konnten wir mit dem Dredgen beginnen. Die dazu nöthigen Taue und Netze waren uns mit größter Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Daniellsen zur Verfügung gestellt, und mit einem alten Fischer, der mit unseren Vorgängern oft hinausgefahren war und die besten Plätze gut kannte, sind wir bis jetzt 10 Mal zum Arbeiten ausgefahren. Das Dredgen ist hier meist unbeschwerlich, da in den schmalen Meeresarmen starke Strömungen herrschen, und wir das Netz noch || mit Bleigewichten beschweren müssen, damit es nicht fortgerissena wird, die Ausbeute ist aber äußerst lohnend. Speciell von Anneliden habe ich eine hübsche Sammlung bekommen, von denen mehreres für unsere jenaische Lehrsammlung brauchbar sein dürfte. Herr Weißenborn, welcher sich speciell mit Crustaceen beschäftigt, ist mit den Dredgenresultaten ebenfalls sehr zufrieden. Herr Leon arbeitete über Coelenterata, hat uns aber leider vor ein paar Tagen verlassen, da eine Depesche ihn zu seinem erkrankten Kinde zurückrief. – Von Fischen haben wir durch Herrn Conservator Nansen in Bergen sehr hübsche Sache bekommen, so den sehr seltenen Lachs Argentina silus, ferner mehrere Chimären, Scyllium || annulatum, Spinax niger, und verschiedene andere. Einige große Rochen, sowie einen Coryphaenoides norvegicus haben wir grob sceletirt. Echiniden haben wir in großer Anzahl, von großen Exemplaren von Echinus esculentus werde ich Schalen mitbringen, ebenso dachte ich daran gut conservirte große Holothurienb für das Practicum mitzunehmen, da meine vor zwei Jahren mitgebrachten, in Folgec schlechter Conservirung ziemlich macerirt sind. Eine Brisinga zu bekommen, war mir leider nicht möglich, sie kommt nur im Hardangerfjorde in sehr bedeutender Tiefe vor, und ist auch dort recht selten; auch zu kaufen ist keine Möglichkeit vorhanden, und es bleibt uns nur noch die Hoffnung, daß mir Freund Nansen || mir später einmal ein Exemplar besorgt. Wir denken noch den ganzen Monat hierzubleiben, und in der ersten Hälfte des Octobers nach Jena zurückzukehren.

Indem ichd mir erlaube von Herrn Weißenborn und mir die besten Grüße zu senden

verbleibe ich Ihr ganz ergebener

Dr. W. Kükenthal

Alverstrømmen d. 12 Sept. 85.

a korr. aus: vortgerissen; b korr. aus: Holuthorien; c korr. aus: infolge; d korr. aus: v

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.09.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28393
ID
28393